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Cultural Diversity in Northern China during the Fifth and the Sixth Centuries

Subject Area Asian Studies
Prehistory and World Archaeology
Term from 2015 to 2021
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 264146096
 
Final Report Year 2021

Final Report Abstract

Ziel des Projekts war es, mithilfe von archäologischen und epigraphischen Untersuchungen kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Bewohner Nordchinas im 5. und 6. Jahrhundert festzustellen und diesen zuzuordnen sowie das Neben- und Miteinander verschiedener Bevölkerungsgruppen zu rekonstruieren. Im Zentrum stand die Archäologie in der modernen Großstadt Datong nahe der Steppe, an deren Stelle sich die frühere Hauptstadt Pingcheng (398-494) der Nördlichen Wei-Dynastie (386-534) befand. Ihre Gründung war, wie die Karakhorums der Mongolen, politisch motiviert. Die Tuoba-Herrscher deportierten aus allen besiegten Regionen in mehreren Wellen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen nach Pingcheng. So wuchs die Stadt aus dem Nichts rasant zu einer zeitweise millionenstarken Metropole, die Beziehungen zu Steppengebieten unterhielt und Handel mit chinesischen Staaten und Zentralasien pflegte. Die erst seit den 2000er Jahren zahlreich zutage geförderten Grabfunde in Datong wurden bislang kaum zusammenhängend bearbeitet. Mit dem Projekt bietet sich somit erstmalig die Gelegenheit, die in Schriftquellen festgehaltene Multikulturalität der Stadt archäologisch zu untersuchen und ihre Veränderungsdynamik zu beleuchten. Die dominierenden Kulturerscheinungen lassen sich anhand von knapp 300 periodisierbaren Grabstätten in und um Datong in drei Phasen einteilen. Die früheste, etwa von 398 bis 439, wird durch Grabsitten der ersten Zuwanderer aus der Steppe mit Katakombengräbern und Tieropfern geprägt. Diese Siedler gehörten größtenteils der Tuoba Xianbei-Konföderation an. Dazu zählten die von den Tuoba besiegten und zwangsumgesiedelten Murong Xianbei aus der Süd-Mandschurei. In der zweiten Phase, etwa von 440 bis 471, kamen neue Grabtypen und -sitten hinzu. Einige, wie die Beigaben von Tonfiguren sowie neunarmigen Grablampen, lassen sich den Grabsitten der Zwangsumgesiedelten aus dem Großraum Xi’an zuordnen. Spezielle Bestattungen, wie die eines Mannes und einer Frau in einem gemeinsamen Sarg, deren inszenierte Lage eine Zuneigung erkennen lässt, lassen eine Tradition der Steppe vermuten. Diese sowie die Beisetzung in hausförmigen Sarkophagen und auf Bestattungsbetten, die ebenfalls unvermittelt in der mittleren Phase auftraten, waren zuvor in Nordchina unbekannt. Sie blieben jedoch bis in die frühe Tang-Zeit ein Bestandteil des funeralen Repertoires Nordchinas. Die vom Buddhismus beeinflussten Ausstattungen und Ornamente vieler Gräber in der Endphase von 472 bis 493 bildeten ersichtlich buddhistische Gedenkstätten nach. Im Laufe der Zeit vermischten sich die Grabkulturen zusehends. Es ist kein einziges Kombinationsmuster klar ersichtlich. Grabsitten blieben weiterhin vielfältig. Nichtsdestotrotz ist die Herausbildung einer allgemeinen Xianbei-Identität aller Einwohner früh zu erkennen. Diese wird vor allem durch die einheitliche Kleidung in bildlichen Selbst- und Fremddarstellungen quer durch verschiedene Kulturgruppen und soziale Strata ausgedrückt. Eine hauptsächlich von chinesischen Forschern konstatierte Sinisierung lässt sich archäologisch bestenfalls als ein Teil einer kulturellen Vermischung erklären. Relativ wenige gewaltsame Verletzungen der Skelette und zahlreiche Friedhöfe mit dicht belegten Gräbern unterschiedlichster Typen lassen ein friedliches Zusammenleben der Menschen aus verschieden Gebieten und Kulturen vermuten. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Zusammenfluss und das Zusammenwirken von unterschiedlichen Kulturen im 5. Jahrhundert in Nordchina über den Sepulchralkult hinaus starken Einfluss auf die Tang-Zeit, das "goldene Zeitalter" der chinesischen Geschichte, und spätere Dynastien ausübten.

Publications

  • Early Medieval North China: Archaeological and Textual Evidence (Wiesbaden; Harrassowitz, 2019), 505 S.
    Shing Müller, Thomas O. Höllmann und Sonja Filip (Hg.)
 
 

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