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Meinungsdynamik und kollektive Entscheidungen: Prozeduren, Verhalten und Systemdynamik
Antragsteller
Privatdozent Dr. Jan Lorenz
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 265108307
Demokratie soll intelligente kollektive Entscheidungen hervorbringen, die Wohlfahrt erzeugen und sicherstellen, dass die normativen Konsequenzen und die Verteilung von Ressourcen akzeptiert werden. Kollektive Entscheidungen aggregieren unsere individuellen Präferenzen und Einschätzungen. Das Trilemma der Demokratie ist, dass jede Prozedur für nicht-dichotome Entscheidungen mindestens ein demokratisches Prinzip verletzt: Respekt der Mehrheit, Offenheit für Meinungspluralismus, oder kollektive Rationalität. Andererseits, bilden und verändern Individuen ihre Präferenzen durch Diskussion und Beratung untereinander. Das Trilemma wäre gelöst, wenn dieses zu einem Konsens führen würde. Oft scheint scheint das Gegenteil der Fall zu sein: dauerhaft polarisierte Meinungslandschaften. Die meisten politischen Diskussionen und Entscheidungen drehen sich um wenige mögliche Entscheidungen wie Personen oder ein "Dafür" oder "Dagegegen". Dies ist in gewissem Sinne überraschend, da die zugrunde liegenden individuellen Einschätzungen und Präferenzen typischerweise graduell sind. Viele Entscheidungen haben sogar von sich aus eine kontinuierliche Natur wie Haushaltspläne, Steuersätzen, Mindesteinkommen, oder Schätzungen von Preisen, Wahrscheinlichkeiten oder Risiken. Im Gegensatz zu den meisten politischen Modellen, fokussiert dieses Projekt auf Entscheidungsprozeduren mit kontinuierlichen Auswahlmöglichkeiten für die Beteiligten.Entscheidungsprozeduren und Diskussion in einem Meinungskontinuum bieten die Möglichkeit zu Kompromissen und graduellen Anpassungen. Beides zusammen wird als formales Model der Meinungsdynamik und kollektiven Entscheidung dargestellt in dem die Beteiligten individuelle, epistemische und soziale Präferenzen haben. Auf Grundlage dieses Modells werden Gruppenentscheidungsexperimente durchgeführt, um zu verstehen, wie sich Menschen und Gruppen verhalten, wenn sie gleichzeitig feilschen, die Wahrheit suchen und ihre Ansichten koordinieren. So sollen Hinweise gefunden werden, wie man das demokratische Trilemma in der jeweilige Situation am besten löst und wann Beratung und Diskussion förderlich und wann hinderlich ist. In großen Gruppen geht die Meinungsdynamik über die Wahrnehmung des Einzelnen hinaus. Viele individuelle Meinungsänderungen können deshalb versteckte systemische Auswirkungen auf das Entstehen von Konsens, Polarisierung, Fragmentierung und Extremismus haben. Im Projekt werden Meinungslandschaften aus Sozialumfragen und aus Bewertungen aus dem Internet analysiert, um mittels agenten-basierter Computersismulation ihre Entstehung zu verstehen. Die Methoden der Physik komplexer sozio-ökonomischer Systeme werden benutzt, um versteckte Triebkräfte zu finden, die Konvergenz zum Konsens fördern oder verhindern.Begleitend zum Projekt sollen Policy-Empfehlungen abgleitet werden, wie man Entscheidungsprozeduren für Expertenschätzungen, Umverteilungssteuern und Bürgerhaushalte auf Grundlage gestalten könnte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen