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Lohnungleichheit durch soziale Schließung in Deutschland

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 265326967
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt leistet einen substantiellen Beitrag zur Erforschung der Lohnungleichheit in Deutschland. Das Konzept der sozialen Schließung beruflicher Teilarbeitsmärkte wird systematisch definiert und seine Auswirkungen sowie die Veränderung der Auswirkungen über die Zeit werden analysiert. Es zeigt sich, dass Lohnungleichheit innerhalb geschlossener Teilarbeitsmärkte reduziert und zwischen offenen und geschlossenen Teilarbeitsmärkten vergrößert wird. Betrachtet man die Auswirkungen beruflicher Schließung auf die Lohnverteilung, so zeigt sich eine Verminderung der Ungleichheit durch das Vorhandensein geschlossener Teilarbeitsmärkte. Das Projekt unterscheidet in allen Analysen zwischen beruflicher Schließung durch berufsspezifische Rekrutierung und Schließung durch staatlich verordnete berufliche Lizenzen. Für die berufsspezifische Rekrutierung liefert das Projekt eine Definition nebst Operationalisierungsmöglichkeiten. Berufliche Geschlossenheit wird graduell definiert über das Ausmaß berufsspezifischer Rekrutierung pro Beruf. Für die Lizenzierung liefert das Projekt eine systematische und umfassende Analyse von Berufsverordnungen und Gesetzen und die dichotome Zuordnung zu Berufen über einschlägige Klassifikationsschemas. Die so gewonnenen Daten stehen der wissenschaftlichen Community für die zukünftige Forschung zur Verfügung. Die Theorie sozialer Schließung ist motiviert aus der amerikanischen Erfahrung mächtiger Berufsverbände mit ihrer Fähigkeit zur Zugangsregulierung und zur Monopolisierung des Angebots. Berufliche Lizenzen werden verstanden als die stärkste Schließungsform. Durch rechtlich-historische Analysen der institutionellen Voraussetzungen für soziale Schließung durch Lizenzen zeigt das Projekt, dass diese Perspektive für die USA teilweise zutrifft, aber nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar ist. Auch die Erwartung von Renten und Ungleichheitsvergrößerung durch Lizenzen lässt sich nicht eins zu eins auf den deutschen Arbeitsmarkt anwenden. In Deutschland sind berufliche Lizenzen ein staatliches Instrument, das nur in Ausnahmen und bei Erfüllung strenger Voraussetzungen angewendet werden darf. Des Weiteren werden Marktpreise für die Leistungen lizenzierter Arbeitnehmer ebenfalls gesetzlich reguliert, was die Lohnvariation nach oben und nach unten begrenzt. Daraus folgt die theoretisch begründete Erwartung einer Lohnkompression in lizenzierten Berufen. Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zum theoretischen Verständnis sozialer Schließung allgemein und beruflicher Lizenzierung im Besonderen. Empirisch werden die gewonnenen Indikatoren beruflicher Schließung mit mehreren Datensätzen untersucht. Abweichend vom Projektplan werden auch die unterschiedlichen Konsequenzen für die Lohnungleichheit in Deutschland und den USA verglichen. Die Ergebnisse bestätigen, dass berufliche Schließung die Löhne innerhalb von geschlossenen Teilarbeitsmärkten homogenisiert, aber die Ungleichheit zwischen offenen und geschlossenen Teilarbeitsmärkten erhöht. Von der Homogenisierung profitieren benachteiligte Gruppen wie Frauen, deren Lohnabstand zu Männern dadurch verringert wird. Bezogen auf die Gesamtverteilung der Löhne leistet Schließung durch Lizenzen einen Beitrag zur Verminderung der Lohnungleichheit durch überproportionale Lohnvorteile für Bezieher niedriger und mittlerer Löhne. Diese Tendenz verstärkt sich im Zeitverlauf durch überproportionales Beschäftigungswachstum in geschlossenen Teilarbeitsmärkten in der unteren Hälfte der Verteilung. In Zeiten von steigender Lohnungleichheit und zunehmender Polarisierung des Arbeitsmarktes erfüllt berufliche Schließung somit eine Schutzfunktion gegenüber verletzlichen Gruppen und beugt einer noch stärkeren Vergrößerung der Ungleichheit vor.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016) Occupational Licensing and the Wage Structure in Germany. Working Papers in Sociology, 4. Karlsruhe Institute of Technology.
    Haupt, Andreas & Witte, Nils
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5445/IR/1000053799)
  • (2016): Erhöhen berufliche Lizenzen Verdienste und die Verdienstungleichheit? In: Zeitschrift für Soziologie 45 (1), S. 39–56
    Haupt, Andreas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/zfsoz-2015-1002)
  • (2016): Zugang zu Berufen und Lohnungleichheit in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS
    Haupt, Andreas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-11296-7)
  • (2018). The degree of occupational closure by KldB 1992 occupation codes in the German Socio-Economic Panel / Der Grad berufsspezifischer Rekrutierung nach KldB 1992 mit dem Sozioökonomischen Panel. GESIS datorium
    Haupt, Andreas; Nollmann, Gerd; Witte, Nils
 
 

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