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Dekohärenz eines elektronischen und makroskopischen Superpositionszustandes durch Wechselwirkung mit einem Supraleiter

Antragsteller Dr. Alexander Stibor
Fachliche Zuordnung Optik, Quantenoptik und Physik der Atome, Moleküle und Plasmen
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 265596161
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ein fundamentaler Aspekt in quantenphysikalischen Anwendungen ist, den kohärenten Zustand möglichst lange aufrechtzuerhalten. Dabei ist es wichtig, den quanten-klassischen Übergang grundlegend zu verstehen, der durch die Theorie der Dekohärenz beschrieben wird. Dieses Projekt beschaftigte sich mit der Dekohärenz von geladenen Teilchen durch die Coulomb-Wechselwirkung anhand von freien Elektronen-Materiewellen in einem Interferometer. Dies ist derzeit ein relevantes Thema z.B. bei der Entwicklung von neuartigen nicht-invasiven Abbildungsmethoden in der Quantenelektronenmikroskopie, der Manipulation von Elektronen in Oberflächenfallen, in der Quanteninformation und Sensorik. Für die Untersuchung der Dekohärenz eignen sich Interferometer im Besonderen. Positioniert man eine leitende Oberfläche wenige µm unter den zwei kohärent aufgetrennten Teilstrahlen, verringert sich der am Detektor gemessene Interferenzkontrast durch die Dekohärenz in Abhängigkeit von der Strahlaufspaltung, dem Elektronenabstand von der Oberfläche, dem elektrischen Oberflächenwiderstand, der Temperatur und anderen materialspezifischen Merkmalen. Es gab bei Projektbeginn in der Literatur vier Theorien, mit unterschiedlichen Voraussagen über die Dekohärenz des elektronischen Superpositionszustandes. Dieses Projekt hatte zum Ziel, experimentell den Kontrastverlust über einer metallischen, halbleitenden und supraleitenden Oberfläche zu bestimmen und mit bestehenden Dekohärenztheorien und Experimenten zu vergleichen. Wir konnten einen wichtigen Teil der Projektziele erreichen, indem wir in einem Biprisma-Elektroneninterferometer die Dekohärenz über einer dotierten Silizium-Halbleiterplatte und einer Goldoberfläche gemessen haben, mit einem Unterschied im elektrischen Widerstand von sechs Größenordnungen. Die Ergebnisse erlauben eine klare Präferenz fur eine Theorie von Scheel et al. Die Dekohärenz uber dem Supraleiter konnte noch nicht gemessen werden, die experimentelle Anlage dafür ist jedoch fertig und der Versuch soll bald durchgeführt werden. Während des Projektverlaufs gab es öfters die Notwendigkeit, die ursprüngliche Planung anzupassen. Es gab mehrere Verlängerungen aufgrund der Babypause der zuständigen Doktorandin und der darauf folgenden Coronapandemie. Der Antragsteller und Projektleiter bekam die Möglichkeit einer mehrjährigen Forschungstätigkeit in den USA zuerst an der Stanford University und dann am Berkeley Lab, die er teilweise parallel und in Synergie mit diesem Projekt ausführte. Außerdem sind mehrere interessante Anwendungsmöglichkeiten wahrend der Vorbereitung der Dekohärenzmessung aufgekommen, die als eigenständige Teilprojekte verfolgt wurden und zu Publikationen führten. Zum einen wurde ein kompaktes Interferometer entwickelt, das in Kombination mit einer eigens entwickelten Korrelationsmessung des Interferenzmusters als sensibler Sensor für elektromagnetische Frequenzen eingesetzt wurde. Eine weitere Publikation entstand durch die Entwicklung und Charakterisierung eines extrem koharenten Einatom-Feldemitters in Kombination mit einer speziellen Extraktionsoptik. Sie erhöht deutlich die Intensität des Elektronenstrahls bei gleichbleibender Kohärenz und Materiewellenlänge. In dem Dekohärenzexperiment wird ein Wien-Filter zur Kontrastoptimierung verwendet. Dabei kam die Idee auf, diese Komponente für eine neuartige, sichere Quanten-Datenübertragungsmethode im Interferometer zu nutzen. Sie basiert auf einer Quantenmodulation der Materiewellen und verändert dynamisch den Kontrast. Die im Überlagerungszustand gespeicherte Information ist für einen Abhörer nicht zugänglich. Unser proof-of-principle-Experiment wurde von einem internationalen Gutachtergremium mit dem renommierten R&D 100 Award 2020 ausgezeichnet, worüber auch medial berichtet wurde. Außerdem haben wir in diesem Projekt angefangen, supraleitende Elektronen-Feldemitter aus Niob-Nanospitzen zu entwickeln. Das Thema wurde am Berkeley Lab weiterverfolgt und realisierte in einer Industriekollaboration extrem monochromatische Strahlquellen für die Elektronenmikroskopie und Spektroskopie. Dieses Projekt hat zu wichtigen fundamentalen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Dekohärenz und zu interessanten Anwendungen für die Mikroskopie, Sensorik und Datenübertragung geführt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • A compact electron matter wave interferometer for sensor technology, Appl. Phys. Lett. 110, 223108 (2017)
    A. Pooch, M. Seidling, M. Layer, A. Rembold and A. Stibor
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1063/1.4984839)
  • Coherent properties of a tunable low energy electron matter wave source, Phys. Rev. A 97, 013611 (2018)
    A. Pooch, M. Seidling, N. Kerker, R. Röpke, A. Rembold, W.T. Chang, I.S. Hwang and A. Stibor
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1103/physreva.97.013611)
  • Quantum decoherence by Coulomb interaction, New J. Phys. 22, 063039 (2020)
    N. Kerker, R. Röpke, L.-M. Steinert, A. Pooch and A. Stibor
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1367-2630/ab8efc)
  • Data transmission by quantum matter wave modulation, New J. Phys. 23, 023038 (2021) [R&D 100 Award 2020]
    R. Röpke, N. Kerker and A. Stibor
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1367-2630/abe15f)
 
 

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