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Differenzieller Einfluss von Ablenkung auf die verbale und visuelle Gedächtnisleistung bei psychiatrischen Patienten
Antragsteller
Professor Dr. Thomas Beblo
Fachliche Zuordnung
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung
Förderung von 2006 bis 2009
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 26662270
Patienten mit depressiven Störungen und Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) klagen über ernsthafte kognitive Einschränkungen im Alltag, insbesondere Gedächtnisstörungen. Objektive Testverfahren zeigen bei diesen Patientengruppen jedoch eher geringgradige Einbußen der Gedächtnisleistung. Da die Vorhersage der Alltagskompetenzen eine wesentliche Aufgabe klinisch neuropsychologischer Diagnostik darstellt, kommt der Diskrepanz zwischen subjektiven Beschwerden und objektiven Testdaten eine erhebliche klinische Relevanz zu. Eine mögliche Erklärung dieser Diskrepanz zielt auf die unterschiedlichen Anforderungen beider Settings ab: Während bei der Durchführung von Testverfahren störende Außenreize aus der Untersuchungssituation fern gehalten werden, sind natürliche Alltagssituationen dadurch gekennzeichnet, dass neben der zu bewältigenden Aufgabe auch störende Stimuli auftreten können.Überraschenderweise ist bisher nicht untersucht worden, inwieweit die Gedächtnisleistung depressiver Patienten und von Patientinnen mit BPS durch Ablenkung beeinflußt wird, und inwieweit eine möglicherweise erhöhte Ablenkbarkeit den deutlichen, subjektiv geklagten Alltagsdefiziten der Patienten zugrunde liegt. Dies ist insbesondere für emotional negative Distraktoren zu vermuten, auf die beide Patientengruppen mit einer gesteigerten Aufmerksamkeitszuwendung reagieren. Dabei ist anzunehmen, dass emotional negative Reize ruminative Gedanken auslösen, die eine konzentrierte Aufgabenbearbeitung behindern. Darüber hinaus ist festzustellen, dass standardisierte Testverfahren, die Ablenkungsaspekte berücksichtigen, bisher nicht entwickelt worden sind. Auf der Basis von Voruntersuchungen haben wir ein verbales und ein visuelles Gedächtnisparadigma entwickelt, welche die kontrollierte Darbietung zu lernender Inhalte und ablenkender Reize ermöglichen. Das verbale Verfahren sieht das Lernen von Wortlisten vor, wobei alternierend zu den zu lernenden Begriffen ablenkende Wörter dargeboten werden, die emotional neutral oder negativ sind. Neben diesen beiden Ablenkungsbedingungen gibt es ebenfalls eine Bedingung ohne Darbietung ablenkender Begriffe (Baseline). Das visuelle Paradigma wird dem verbalen Verfahren entsprechend durchgeführt, wobei anstelle der Wörter geometrische Figuren zu lernen sind. Die ablenkenden visuellen Reize sind durch emotional neutrale und emotional negative Bilder operationalisiert. Eine Voruntersuchung an gesunden Probanden zeigt in beiden Paradigmen eine schlechtere Lernleistung unter Ablenkung, insbesondere unter negativer Ablenkung. Dieser Effekt scheint bei depressiven Patienten tatsächlich verstärkt zu sein, wie erste Ergebnisse andeuten. Mit der hier beantragten Studie soll untersucht werdeninwieweit Patienten mit Depression oder BPS beim Lernen verbalen und visuellen Materials durch emotional negative und emotional neutrale Reize verstärkt ablenkbar sind und inwieweit dieser Effekt durch ruminativen Gedanken vermittelt wird, ob die unter Ablenkung gemessenen Gedächtnisleistungen eher als die Leistungen herkömmlicher Verfahren mit alltagsrelevanten Selbst- und Fremdeinschätzungen übereinstimmen.und mit welchen relevanten neuropsychologischen Konstrukte ¿Lernen unter Ablenkung verknüpft ist.Dabei sollen die neu entwickelten Gedächtnisparadigmen als Testverfahren eingeführtwerden, die das Konstrukt ¿Ablenkung in Bezug auf Gedächtnisleistungen erstmalig standardisiert operationalisieren. Möglicherweise sind diese Verfahren - auch über die Patientengruppen dieser Untersuchung hinaus - sensitiver für Gedächtnisdefizite im Alltag als die bisher vorliegenden Standardverfahren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Beteiligte Personen
Professor Dr. Martin Driessen; Professor Dr. Hans J. Markowitsch