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Die volkswirtschaftlichen Effekte der Vertriebenen und ihre Integration in Westdeutschland, 1945-70
Antragsteller
Professor Dr. Sebastian Braun
Fachliche Zuordnung
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung
Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 267108021
Die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa ist eine der größten erzwungenen Wanderungsbewegungen der Geschichte. Sie betraf mindestens 12 Millionen Menschen, die vor dem Krieg zumeist in den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs oder im Sudetenland lebten. Der Zustrom der Vertriebenen führte zu einer drastischen Zunahme der westdeutschen Bevölkerung. Im September 1950 war etwa jeder sechste Westdeutsche ein Vertriebener. Trotz der großen historischen Bedeutung der Vertreibung haben bislang nur sehr wenige empirische Studien die volkswirtschaftlichen Effekte der Vertriebenen und ihre Integration in Westdeutschland untersucht. Und das obwohl - im Gegensatz zu den meisten anderen erzwungenen Wanderungsbewegungen - qualitativ hochwertige Daten über die Vertriebenen existieren. Zudem erleichtern die historischen Umstände der Vertreibung empirische Kausalanalysen. So waren die Vertriebenen nicht eine selektierte Gruppe der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa, sondern repräsentierten einen kompletten Querschnitt ihrer Herkunftsregionen. Außerdem erfolgte die regionale Verteilung der Vertriebenen in Westdeutschland nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten, sondern wurde primär durch die Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit bestimmt. Daher spielen viele Störfaktoren, die Kausalanalysen der Auswirkungen von Immigration normalerweise erschweren, für die Analyse der volkswirtschaftlichen Effekte des Vertriebenenzustroms keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Die Flucht und Vertreibung der Deutschen ist daher nicht nur von großer historischer Bedeutung. Ihre Analyse erlaubt auch Einblicke in fundamentale und oftmals schwer zu beantwortende Fragen der Migrationsforschung. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt zwei Ziele. In einem ersten Schritt wird das Projekt eine umfassende elektronische Datenbank der verfügbaren Vertriebenenstatistiken erstellen und diese der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Datenbank wird insbesondere regional tiefgegliederte Vertriebenenstatistiken der Volks- und Berufszählungen von 1946, 1950, 1961 und 1970 erfassen und diese durch Statistiken aus anderen verfügbaren Quellen ergänzen. In einem zweiten Schritt wird das Projekt ausgewählte Daten der neuen Datenbank verwenden, und die spezifischen Charakteristiken der Vertreibung ausnutzen, um Licht auf drei bislang kaum untersuchte Fragen zu werfen. Erstens wird das Projekt die mittel- bis langfristigen Auswirkungen des Zustroms der Vertriebenen auf die Beschäftigungsstruktur westdeutscher Regionen analysieren und quantifizieren. Zweitens wird das Projekt untersuchen, welche Faktoren den ökonomischen Integrationsprozess der Vertriebenen beschleunigt oder verlangsamt haben. Drittens wird das Projekt die dynamischen Arbeitsmarkteffekte des Zustroms der Vertriebenen analysieren und quantifizieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Michael Kvasnicka
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professorin Dr. Nadja Dwenger; Dr. Toman Omar Mahmoud; Dr. Henning Weber