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Die Entstehung der "unsichtbaren Hand": Ökonomische Interessen, politisch-soziale Konflikte und die Idee der freien Konkurrenz im 18. Jahrhundert

Antragsteller Dr. Moritz Isenmann
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 267355747
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projekts war es, eine neue Sicht auf die Entwicklung des wirtschaftlichen Liberalismus im Frankreich des 18. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Methodisch sollte keine intellektuelle Fortschrittsgeschichte im Sinne Joseph A. Schumpeters geschrieben werden, welche die Gedankengänge kanonischer Autoren als Verbesserung und Verfeinerung der Analyse vorausgehender Autoren auffasst. Vielmehr sollten neben den in der Dogmengeschichte bekannten Autoren auch andere Akteure wie beispielsweise Kaufleute mit in die Analyse einbezogen und deren Einfluss „von unten“ auf die ökonomische Theoriebildung beleuchtet werden. Zugleich wurde angenommen, dass diese Akteure ökonomische Eigeninteressen besaßen, die in ihre Argumentation einflossen, da ihr Ziel darin bestand, die monarchische Verwaltung davon zu überzeugen, eine ihren Interessen zuträgliche Handelspolitik zu implementieren. Verbunden mit diesen ökonomischen Interessen waren zugleich sozio-politische Vorstellungen über die ideale Gesellschaftsordnung im französischen Königreich. Um den kaufmännischen Lobbyismus aufzuspüren, der von der ökonomischen Ideenund Dogmengeschichte bisher nicht als möglicher Impulsgeber für die ökonomische Theoriebildung betrachtet worden war, sollten ausführliche Forschungen in französischen Archiven durchgeführt werden. Des weiteren sollte nachvollzogen werden, wie die interessengeleiteten Argumente für Freihandel im Zeitalter der Aufklärung in einen politisch-ökonomischen Diskurs mit wissenschaftlichem Anspruch und philosophischer Grundierung übernommen sowie anschließend von Frankreich nach Großbritannien „exportiert“ wurden. Besonderes Augenmerk sollte auf die Felder des Außen- und des Getreidehandels gelegt werden. Die Annahme einer Beeinflussung der ökonomischen Theoriebildung „von unten“ durch das interessengeleitete milieu nourricier von Kaufleuten hat sich insgesamt bestätigen lassen, wenn auch in unterschiedlicher Weise für die beiden in den Blick genommenen Bereiche. Gut nachvollziehen ließ sich die Lobbyaktivität auf dem Gebiet des Außenhandels. Im zu Beginn des 18. Jahrhunderts gegründeten Conseil de commerce warben die vom Export landwirtschaftlicher Produkte abhängigen, am Atlantik gelegenen französischen Provinzen über ihre Abgeordneten für freie Konkurrenz zwischen französischen und ausländischen Manufakturprodukten auf dem französischen Markt mit Argumenten wie dem der absoluten Kostenvorteile, um den Export ihrer landwirtschaftlichen Produkte in andere Länder nicht zu gefährden bzw. intensivieren zu können. Nach dem Versiegen ihrer Lobbytätigkeit im Laufe der 1720er Jahre wurden ihre Argumente von René Louis Voyer, Marquis d’Argenson aufgenommen, der sie mit einem politisch-philosophischen Überbau gemäß seiner Vorstellungen von politischer Freiheit und Selbstverwaltung versah. Auf dem Gebiet des Getreidehandels fielen Lobbyismus und theoretische Betrachtung hingegen zeitlich zusammen – in der Person von ökonomischen Schriftstellern, die selbst aus dem landwirtschaftlichen Milieu stammten oder eigene Interessen in der Landwirtschaft besaßen. Im Bereich des Getreidehandels sollten Freihandel und Export für ein Steigen der Getreidepreise sorgen. Beide Freihandelsvorstellungen (im Außenhandel und im Getreidehandel) wurden im Zuge der großen Debatte um den Getreidehandel der 1750er Jahre von den Physiokraten zu einem großen Freihandelssystem zusammengeführt. Auch wenn Adam Smith die grundlegende physiokratische Prämisse einer ausschließlichen Produktivität der Landwirtschaft verwarf, übernahm er doch die französischen Vorstellungen über Marktwirtschaft und freie Konkurrenz. Durch den schottischen Moralphilosophen in einen neuen Kontext überführt, verlor sich der Lobbycharakter der Freihandelstheoreme und nahm in der Folgezeit den Anschein „wissenschaftlicher“ Ansichten mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit an.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • From Privilege to Economic Law. Vested Interests and the Origins of Free Trade Theory in France, 1687–1701, in: Philipp R. Roessner (Hg.), Economic Growth and the Origins of Modern Political Economy: Economic Reasons of State, London / New York 2016, S. 105–121
    Moritz Isenmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781315680514-14)
  • Die langsame Entstehung eines ökonomischen Systems. Konkurrenz und freier Markt im Werk von Adam Smith, in: Historische Zeitschrift 307 (2018), S. 655–691
    Moritz Isenmann
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/hzhz-2018-0034)
 
 

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