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Der Schlüsselfundplatz Veksa. 6000 Jahre Kulturentwicklung vom 6. bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. in der nordosteuropäischen Waldzone

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 268150180
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In den letzten Jahren ist der Raum zwischen Ostsee und Ural verstärkt in den Fokus der Ur- und Frühgeschichtsforschung gerückt, weil diese Region auch aus mitteleuropäischer Perspektive für das Verständnis überregionaler, diachroner Kulturentwicklungen von großer Bedeutung ist. Veksa in Nordwestrussland stellt dabei einen Sonderfall unter den archäologischen Fundplätzen der Waldzone dar. Mit seiner einzigartigen, bis zu drei Meter mächtigen Stratigraphie vom Mesolithikum bis in die Eisenzeit und der außerordentlich guten Erhaltung organischen Materials ermöglicht er erstmals die Erarbeitung einer Referenzchronologie zur prähistorischen Kultur- und Umweltgeschichte Nordosteuropas über sechs Jahrtausende hinweg. Das Ziel der von der DFG geförderten interdisziplinären Forschungen in Veksa war es, qualitätsvolle und naturwissenschaftlich abgesicherte neue Erkenntnisse zur Kulturentwicklung in ihrem landschafts- und umweltgeschichtlichen Kontext vom 6. bis ins 1. Jt. v.Chr. zu gewinnen. Durch das Projekt wurde eine deutliche Verbesserung des äußerst lückenhaften Forschungsstandes zur Vorgeschichte Nordrusslands erreicht. Geomorphologische und archäobotanische Analysen haben einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion von Landschaftsentwicklung und Vegetationsgeschichte dieser Region geliefert, so dass wir die holozäne Entwicklung von einem ehemaligen Seebecken hin zu einer Flussauenlandschaft nun erstmals konkret und zeitlich hoch aufgelöst fassen können. Die archäologischen Stratigraphien konnten für verschiedene Bereiche des Fundplatzes erschlossen und datiert werden, so dass nun die kulturellen und naturräumlichen Entwicklungen seit dem 6. Jt. v. Chr. an verlässlich eingeordnet werden können. Neue archäozoologische, archäobotanische und archäologische Daten zur Entwicklung der Wirtschaftsweise belegen die Persistenz der aneignenden Wirtschaftsweise mit Jagd, Fischfang und dem Sammeln von Wildpflanzen in dieser Region bis ans Ende des 1. Jts. n. Chr., erst ab dieser Zeit ist mit Getreideanbau vor Ort zu rechnen. Der stratifizierte Komplex von Veksa überaus wertvolle Möglichkeiten, die erste Ausbreitung und weitere typologische Entwicklung der Gefäßkeramik in Nordosteuropa zu rekonstruieren und Einblicke zu Funktion, Nutzung und kultureller Bedeutung der Tonware zu gewinnen. Anhand erster molekulabiologischer Analysen von organischen Rückständen an der steinzeitlichen Keramik zeigt sich, dass entgegen einer gängigen Hypothese das erste Auftreten von Keramikgefäßen im 6. Jt. v. Chr. offenbar nicht direkt mit einer intensiveren und gezielten Nutzung aquatischer Ressourcen in Zusammenhang stand, sondern dass die Hinweise auf Verarbeitung von Fisch erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Auch wenn die exzellente Erhaltung steinzeitlicher Holzfunde durch das ausgedehnte Pfahlfeld am Ufer der Vologda bereits im Zuge der Vorarbeiten des Projektteams bekannt geworden war, stellte die Entdeckung von sechs Reusen- und Fischzaunresten aus dem 4.-3. Jt. v. Chr. in dem in diesem Bereich angelegten Grabungsschnitt einen unerwarteten Erfolg dar. Mit diesen herausragenden Feuchtbodenbefunden stellt Veksa bereits jetzt einen der wichtigsten Fundplätze zu steinzeitlichen stationären Fischfangeinrichtungen in Nordeuropa dar, der darüber hinaus angesichts der kleinen bisher untersuchten Flächen immenses Potential für weitere Entdeckungen erhaltener organischer Funde und Befunde am Ufer der Vologda bereithält. Mit seinen überregional relevanten Ergebnissen, aber auch mit seinem internationalen Team unter deutsch-russischer Leitung hat das Projekt einen wichtigen Beitrag zu grenzübergreifender Untersuchungen zu Kultur- und Umweltgeschichte Nordosteuropas geleistet. Durch den Aufbau tragfähiger Kooperationen und durch die Einbeziehung von Nachwuchswissenschaftlern wurde der Grundstein für Weiterführung und Ausbau archäologischer Forschung über die Grenzen zweier Wissenschaftskulturen hinweg gelegt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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