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Translational conflicts

Subject Area Sociological Theory
Empirical Social Research
Term from 2014 to 2019
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 268189345
 
Final Report Year 2020

Final Report Abstract

Unter dem Titel „Übersetzungskonflikte“ wurden in diesem Forschungsprojekt in drei Fallstudien beispielhafte Bezugsprobleme der Übersetzung von Perspektivendifferenzen bearbeitet. Wie in gesellschaftlichen Debatten Probleme formuliert und adressiert werden, zeigt die Fallstudie „Intersexualität“ (1). Dabei können wir vorführen, dass es die Perspektivität einer medizinischen bzw. rechtlichen Sichtweise und die Zugzwänge einer medizinischen bzw. rechtlichen Funktionslogik selbst sind, welche die von den Intersexuellen eingeforderte Anerkennung immer schon unterlaufen und dabei „diskriminierende“ Effekte produzieren. So erzeugt die Perspektivität eines medizinischen Blicks bei den Intersexuellen eine Betroffenheit, die aus der Kontextur medizinischer Unterscheidungen selbst herrührt, die sich insofern nicht vermeiden lässt. Ähnliches lässt sich im Falle des Rechts beobachten, wo die Betroffenheitserfahrungen von Intersexuellen innerhalb der Kontextur einer rechtlichen Perspektive ohne Anschlusswert bleiben, was wiederum Juristen dazu zwingt, Intersexuelle immer wieder neu zu „verkennen“. Die Fallstudie „Organspende“ (2) untersucht Übersetzungskonflikte in Organisationen und stößt dabei auf das Verfahren als einem probaten Mittel des Umgangs mit Perspektivendifferenzen. Der Deutsche Ethikrat (ER) wird als eine Bühne sichtbar, auf der die Perspektivendifferenzen der modernen Gesellschaft beispielhaft dargestellt und weiterentwickelt werden können, ohne in einen Entscheidungszwang zu geraten. Die Pointe dieser Verfahrensform des Ethikrats liegt gerade darin, die wechselseitige Inkommensurabilität der Perspektiven nicht als Problem behandeln zu müssen, sondern vielmehr als Ressource für eine komplexere Beschreibung der Problematik nutzen zu können. Während der Ethikrat Fragen der Organspende durch seine Organisationsform als Reflexionsfragen verdoppelt, erzwingt die Ständige Kommission Organspende (StäKO) durch ein kompliziertes Verfahren der Einbeziehung unterschiedlichster Kooperationspartner konkrete Entscheidungen über die Allokation von Organen. Das Zusammenspiel beider Verfahrensformen mit ihren unterschiedlichen sachlichen, sozialen und zeitlichen Restriktionen ermöglicht eine hoch voraussetzungsreiche Form der ständigen Flexibilisierung des Verfahrens bei gleichzeitiger Ermöglichung von Entscheidungsfähigkeit. In der Fallstudie „Palliativmedizin“ (3) stehen Übersetzungskonflikte in Interaktionen im Vordergrund. Die hier untersuchten Übersetzungskonflikte werden deutlich organisatorisch gerahmt, insofern hier professionelle Perspektiven unterschiedlicher Berufsgruppen aufeinandertreffen. Die damit verbundenen Perspektiven auf das Sterben der Patienten stellen sich als funktionale, je unterschiedliche Handlungskontexte dar, die mit jeweils unterschiedlichen Bezugsproblemen ausgestattet sind. Die auf diese Weise erhobenen Daten legen nahe, dass es einerseits Ärzten und Sozialarbeitern vor allem darum geht, Sterbende in Organisationskarrieren einzufügen, in Karrieren mit einem eindeutig negativen Verlauf, insofern immer weniger Therapieoptionen möglich sind. Andererseits entstehen unter den gleichen Bedingungen jedoch auch für Pflegekräfte und Seelsorger neue Optionen des Sprechens mit Sterbenden, in denen dieses Sterben gar keine Rolle mehr spielen muss. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dort, wo Sprecher ihrer authentischen Zurechnungsfixierung entkleidet sind und damit Potentiale der Distanzierung zu sich selbst als auch solche zur Differenzierung der semantischen Gehalte wechselseitiger Rede freisetzen, sachlich Inkompatibles sozial kompatibel gemacht wird.

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