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Wie rational ist rationale Imitation? Zur Untersuchung der kognitiven Prozesse, die rationaler Imitation bei Säuglingen zugrunde liegen

Antragstellerin Professorin Dr. Sabina Pauen, seit 10/2016
Fachliche Zuordnung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 268249246
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Auf der Suche nach dem, was Menschen einzigartig macht, stoßen Wissenschaftler häufig auf die Fähigkeit, von anderen mittels Imitation zu lernen. Schon Säuglinge können andere imitieren und sind in der Lage, diese Lernform sehr flexibel einzusetzen. Während einige Erklärungsansätze annehmen, dass sich diese Fähigkeit durch einfache, kognitiv wenig anspruchsvolle Mechanismen erklären lässt, schreiben andere Ansätze den Säuglingen hierfür hohe kognitive Fähigkeiten zu und vermuten, dass selektiver Imitation eine rationale Evaluation der vorgeführten Handlung zu Grunde liegt. Letztere Ansätze haben gemeinsam, dass die rationale Evaluation gesteuert wird durch eine Verletzung der Erwartung, welche Säuglinge darüber besitzen, wie bestimmte Handlungen ausgeführt werden sollten. Das beantragte Projekt fokussierte auf dieser Annahme. Drei verschiedene Methoden fanden Anwendung, um diese Hypothese mit, soweit möglich, identischem Stimulusmaterial zu untersuchen. In Studie 1 benutzten wir EEG zur Messung elektrischer Aktivität im Gehirn und fanden heraus, dass 12- bis 14-monatige Säuglinge, nicht jedoch 9-monatige Säuglinge, auf der neuronalen Ebene eine Erwartungsverletzung zeigen, wenn die Kinder eine ungewöhnliche Kopfbenutzung beobachten. Dies geschieht jedoch nur, wenn die Hände des Modells frei sind. Eine Erwartungsverletzung könnte daher durchaus eine Voraussetzung für rationale Handlungsbewertungen und für die selektive Nachahmung der ungewöhnlichen Kopfbenutzung in früheren Verhaltensstudien sein. In Studie 2 wollten wir diese Befunde mit Blickmessung replizieren, was jedoch nicht möglich war. Obwohl wir feststellen konnten, dass 12- bis 14-monatige Säuglinge eine Erwartungsverletzung zeigen, wenn eine eigentlich physikalisch unmögliche Handlung ausgeführt wird, zeigten sie in ihrem Blickverhalten keine Erwartungsverletzung bei der Benutzung des Kopfes im Vergleich zur Handbenutzung, wenn die Hände des Modells frei waren. Auch zeigten sie keine größere Erwartungsverletzung bei Kopfbenutzung bei freien versus festgebundenen Händen. Schließlich sollte Studie 3 dazu dienen, den Einfluss der in Studie 1 gezeigten Erwartungsverletzung auf tatsächliches Imitationsverhalten zu untersuchen. Im Widerspruch zu unseren Erwartungen, fanden wir die höchste Imitationsrate in der Bedingung, in der nach Annahme der rationalen Imitationstheorie die geringste Imitationsrate zu erwarten war (d.h. in der Head-touch condition). Generell imitierten die Säuglinge in der betreffenden Studie jedoch auch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, mit starker interindividueller Varianz, so dass Besonderheiten der Stichprobencharakteristika hier vermutlich mit eine Rolle gespielt haben. Dieser vielmethodische Ansatz generierte neue Informationen über die Erwartungshaltungen von Säuglingen und deren Rolle in Studien zur rationalen Imitation. Zum einen konnten wir zeigen, dass auf neuronaler Ebene eine Erwartungsverletzung bei der ungewöhnlichen Handlung (Kopfbenutzung) gegenüber einer gewöhnlichen Handlung (Handbenutzung) unter zu verzeichnen war. Allerdings fand sich diese Erwartungsverletzung nicht im Blickverhalten der Kinder, und sie scheint nicht ausschlaggebend dafür zu sein, ob Kinder in einer Aufgabe zur rationalen Imitation nachahmendes Verhalten zeigen oder nicht. Die vorliegenden Ergebnisse können die Frage, wie rational rationale Imitation ist, daher nicht abschließend beantworten, machen aber gleichzeitig deutlich, wie wichtig es ist, multi-methodal zu arbeiten, um die Validität von allgemeinen Aussagen über die Kompetenzen von Säuglingen in diesem Bereich zu testen. Vorliegende Befunde deuten darauf hin, dass bereits 12- bis 14-monatige Säuglinge ungewöhnliche und physikalisch unmögliche Handlungen wahrnehmen. Ob sie diese Fähigkeit auch beim sozialen Lernen (speziell beim selektiven Imitieren) nutzen, müssen zukünftige Arbeiten weiter untersuchen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (September 2015). Wie rational ist die selektive Imitation bei 12 bis 14 Monate alten Säuglingen? Neuronale Korrelate des Head-Touch Paradigmas. Fachgruppentagung Entwicklungspsychologie (EPSY), Frankfurt am Main, Germany
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (August 2016). Did you expect that? Neural correlates underlying selective imitation in infants. Lancaster Conference on Infant and Child Development (LCICD), Lancaster, UK
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (October 2016). Neural correlates of selective imitation in infancy. Young Scientist Workshop: Multidisciplinary approaches to socio-cognitive development, Münster, Germany
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (September 2016). Rational or not? Neural correlates of selective imitation in infants. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Leipzig, Germany
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (September 2016). Taking a closer look at rational imitation in infancy: Investigating 14-month-olds’ expectations. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Leipzig, Germany
    Helbing, N., Grassmann, S., Pauen, S., Hoehl, S. & Buttelmann, D.
  • (April 2017). What do you expect? Neural correlates of unexpected actions in infants and adults. Biennial Meeting of Society for Research in Child Development (SRCD), Austin, Texas, US
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (September 2017). Wer wundert sich mehr über ungewöhnliche Handlungen? Neuronale Korrelate von 9 und 12 Monate alten Säuglingen im Vergleich. Gemeinsame Tagung der Fachgruppen Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie (PAEPSY), Münster, Germany
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Matthes, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
  • (2018). Reduced mu power in response to unusual actions is context-dependent in 1-year-olds. Front. Psychol., 9(36)
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Matthes, D., Grassmann, S., Pauen, S., & Hoehl, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00036)
  • (July 2018). Did you expect that? 12-month-olds discriminate familiar and unusual action outcomes without context information. Biennial International Congress of Infant Studies (ICIS), Philadelphia, Pennsylvania, US
    Langeloh, M., Buttelmann, D., Pauen, S., & Hoehl, S.
 
 

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