Anerkennung, Abwertung und Erfolgsstreben
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt lehnte sich eng an die Spirit-Level-Theorie (Wilkinson & Pickett 2010) an. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit Ungleichheit in wohlhabenden Ländern ein Hindernis für eine lebenswerte Gesellschaft darstellt, und welche Rolle dabei die Statusängste der Menschen als postulierter subjektiver Mechanismus spielen. Das Projekt war quantitativ-empirisch ausgerichtet, insbesondere wurden EQLS-Umfragedaten für 30 europäische Länder ausgewertet. Insgesamt konnten alle geplanten Arbeitspakete erfolgreich abgearbeitet werden. Mit dem Projekt haben wir wichtige, national und international rezipierte Grundlagenforschung über die Verbreitung, die Determinanten und die Folgen von Statusängsten geleistet. Wir wissen nun, dass Statusängste auf der Mikroebene einem eindeutigen sozialen Gradienten folgen (v. a. nach Einkommensposition und Arbeitsmarktpartizipation) und auf der Makroebene durch strukturelle Ungleichheit (hier allerdings stärker durch kulturelle Klassenunterschiede als durch die Einkommensverteilung) und durch ein inegalitär-kompetitives Werteklima verstärkt werden. Statusängste wirken sich negativ auf die individuelle Lebenszufriedenheit aus und korrelieren mit dem Ausmaß gesellschaftlicher Probleme. Während unsere Ergebnisse einige wichtige Aspekte der SL-Theorie durchaus bestätigt haben (so den sozialen Gradienten von Statusängsten oder den engen Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und gesellschaftlichen Problemen), hat sich die Theorie in anderer Hinsicht als zu eng erwiesen (so durch die Ausblendung kultureller Faktoren als mögliche Entstehungsbedingung von Statusängsten), in wieder anderer als falsch (so in der axiomatischen Negation der positiven Rolle des Wohlstandsniveaus für die individuelle und kollektive Lebensqualität). Eine neuformulierte Theorie der gesellschaftlichen Lebensqualität muss daher multikausal(er) argumentieren. Ein über das geplante Arbeitsprogramm hinausgehender Erfolg ist die Entwicklung eines Umfragemoduls zu „Alltagserfahrungen der Anerkennung und Abwertung“ sowie die erfolgreiche Bewerbung auf Aufnahme in die SOEP-Innovationsstichprobe 2016. Dies eröffnete die Möglichkeit, im ebenfalls DFG- geförderten Nachfolgeprojekt neue, bislang zu kurz gekommene Fragestellungen zu erschließen, so zur situativen Beschaffenheit von sozialer Gering- und Wertschätzung. Unser Umfragemodul wurde zudem in das SOEP 2021 mit dem Schwerpunkt „Einstellungen zu sozialer Ungleichheit“ integriert, was für die nähere Zukunft weitere Analyse- und Kooperationsmöglichkeiten eröffnet.