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Der "Orient" in "uns": Erzählungen aus der muslimischen Welt in der westlichen mündlichen Überlieferung
Antragsteller
Professor Dr. Ulrich Marzolph
Fachliche Zuordnung
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 268416587
Das narrative Erbe, das der Westen dem Orient schuldet, ist weder allgemein bekannt noch in angemessener Weise anerkannt. Dies gilt in besonderer Weise für die moderne mündliche Überlieferung. Seit vielen Jahrhunderten sind Erzählungen ein wichtiger Bestandteil der intellektuellen Güter, die vom Osten nach dem Westen gewandert sind. Zusätzlich zu den großen Erzählsammlungen - wie Kalila und Dimna, dem Sindbad-name/Sieben Weise Meister oder den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht - wurden zahlreiche einzelne Erzählungen an den Westen vermittelt, die entweder aus der muslimischen Überlieferung stammten oder von dieser adaptiert worden waren. Kulturelle Kontakte fanden überwiegend auf der Iberischen Halbinsel, auf Sizilien, in Palästina und der Levante sowie in Byzanz statt, später in den Kontaktzonen mit dem Osmanischen Reich in Nordafrika und auf dem Balkan. Viele ursprünglich orientalische Erzählungen wurde dabei in einem Ausmaß integrale Bestandteile der europäischen mündlichen Überlieferung, dass weder die Erzähler noch ihr Publikum sich des externen Ursprungs bewusst waren. Das vorliegende Forschungsprojekt stellt sich zum Ziel, diese Erzählungen in ihren historischen und modernen Bezügen zu untersuchen.In methodischer Hinsicht gründet das Forschungsprojekt in der Vergleichenden Erzählforschung mit besonderer Berücksichtigung der persischen, arabischen und türkischen Überlieferung. Das Projekt hat die Publikation eines englischsprachigen Handbuchs zum Ziel, das detaillierte und umfassende Überblicke zu ungefähr 150-200 Erzählungen enthalten wird. Die abschließende Publikation wird damit die volkstümliche Dimension der Nachwirkung orientalischer Einflüsse beleuchten und somit einen Aspekt, der von der bisherigen Forschung zu den Phänomenen des Orientalismus sowie des Kulturkontaktes zwischen dem Orient und dem Westen weitgehend vernachlässigt worden ist. Die angemessene Kenntnisnahme des orientalischen und speziell des muslimischen Erbes eines bedeutenden Korpus an Erzählungen in der westlichen mündlichen Überlieferung wird dringend benötigt als ein humanistisch fundiertes Gegengewicht in der spätmodernen Welt, in der Muslime oft wieder als das maßgebliche Andere wahrgenommen werden, zudem oft als Bedrohung oder mit einem abwertenden Unterton.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Spanien
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professor Dr. Aboubakr Chraibi; Professorin Dr. María Jesús Lacarra Ducay