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Mikromechanische Simulation der Spaltbruchinitiierung und -ausbreitung im spröd-duktilen Übergangsbereich

Fachliche Zuordnung Mechanik
Mechanische Eigenschaften von metallischen Werkstoffen und ihre mikrostrukturellen Ursachen
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 269292404
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Versagensmechanismus ferritischer Stähle wechselt mit sinkender Temperatur und/oder erhöhter Beanspruchungsgeschwindigkeit vom duktilen Mechanismus mit großen plastischen Deformationen hin zum spröden Versagen mit spaltflächiger Rissausbreitung. Der damit einhergehende Abfall der Bruchzähigkeit ist kritisch für viele technische Anwendungen, die eine bruchsichere Auslegung erfordern. Auf Grund der Relevanz stehen etablierte und genormte makroskopischen Kriterien zur ingenieurmäßigen Bewertung eines möglichen Spaltbruchs zur Verfügung. Spaltflächige Mikrorisse im Gefüge gehen meist von Karbidpartikeln aus, wobei die Überwindung der Korngrenzen eine wichtige Rolle spielt. Eine quantitative Verbindung von mikroskopischen Mechanismen zu makroskopischen Eigenschaften gestaltete sich bisher jedoch schwierig. Im vorliegenden Projekt wurde in mehreren Ausbaustufen ein mikromechanisches, deterministisches Computermodell entwickelt, welches es erlaubt, einen Zusammenhang zwischen den mikroskopischen Vorgängen und dem makroskopischen Widerstand gegen Rissausbreitung im spröd-duktilen Übergangsbereich ferritischer Stähle herzustellen. Berücksichtigt werden hierbei die komplexen Wechselwirkungen von: Bruch und Ablösung von Karbidpartikeln, plastischer Deformation und Versetzungsaufstau in der metallischen Matrix sowie spaltflächiger Rissausbreitung. Das Modell verwendet etablierte Komponenten: ein möglicher Spaltbruch von metallischer Matrix und Karbidpartikeln sowie deren Ablösung an den Grenzfläche wird durch Kohäsivzonenmodelle erfasst, während die plastischen Deformationen in der Matrix und ein möglicher Versetzungsaufstau an Korngrenzen und Karbidpartikeln durch ein effektives Gradientenplastizitätsmodell berücksichtigt werden. Die Korngrenzen wurden zunächst als ideal undurchlässiger Grenzfall („mikrohart“) modelliert. Durch geeignete geometrische Idealisierung des Gefüges als eine periodische Anordnung wurde die Simulation der komplexen Vorgänge und Wechselwirkungen hinsichtlich der nötigen Rechenzeit überhaupt erst praktikabel, was sich als sinnvolle Annahme erwies. Mit diesem Modell wurde in umfangreichen Studien 1) das Versagen unter einachsigen Bedingungen und 2) schwerpunktmäßig die Versagensphänomene in der Bruchprozesszone eines makroskopischen Risses simuliert. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell trotz seiner vergleichsweise einfachen Ingredienzen die komplexen Wechselwirkungen und den mehrstufigen Mechanismus, ausgehend von der mikroskopischen Spaltbruchinitiierung bis hin zur Formation eines makroskopischen Risses, korrekt wiedergeben kann. Insbesondere wird die Spaltbruchinitiierung an Korngrenzkarbiden korrekt vorhergesagt. Im Gegensatz zu bisherigen Modellen auf Basis der konventionellen Plastizitätstheorie konnte gezeigt werden, dass lokale Spannungsspitzen im Ferrit die Größenordnung seiner theoretischen Spaltbruchfestigkeit erreichen, die konsequenter Weise angesetzt werden muss. Damit überwindet das entwickelte Modell zum Einen eine Inkonsistenz bisheriger Modelle des spröd-duktilen Versagensmechanismus. Zum Anderen reduziert sich die Anzahl empirisch zu bestimmender mikroskopischer Parameter. Der Einfluss der Modellparameter wie die Festigkeit der Karbidpartikel und deren Grenzfläche zur Matrix sowie die Korngröße wurde in umfangreichen Parameterstudien untersucht. Quantitative Vergleiche der vorhergesagten Risswiderstandskurven mit entsprechenden experimentellen Daten aus der Literatur sind vielversprechend. Die entwickelte Methodik ist auch für andere spaltbruchgefährdete metallische Konstruktionswerkstoffe anwendbar und kann zukünftig auch mit verbesserten Kontinuumsplastizitätsmodellen verwendet werden, welche Informationen zur Versetzungsstruktur direkt einbeziehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Micromechanical Modeling of Crack Initiation and Propagation in the Ductile-Brittle Transition Region“. In: Key. Eng. Mat. 713 (2016), S. 58–61
    N. A. Giang, G. Hütter und M. Kuna
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4028/www.scientific.net/KEM.713.58)
  • „Influence of carbide particles on crack initiation and propagation with competing ductile-brittle transition in ferritic steel“. In: Theor. Appl. Fract. Mec. 92 (2017), S. 89–98
    N. A. Giang, M. Kuna und G. Hütter
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.tafmec.2017.05.015)
  • „Mikromechanische Simulation des Einflusses von Einschlüssen auf die Bruchzähigkeit ferritischer Stähle“. In: DVM-Bericht 249. 2017, S. 141–148
    G. Hütter, N. A. Giang und M. Kuna
  • „An efficient FE-implementation of implicit gradientenhanced damage models to simulate ductile failure“. In: Eng. Fract. Mech. 199 (2018), S. 41–60
    A. Seupel, G. Hütter und M. Kuna
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.engfracmech.2018.01.022)
  • „Dislocation pile-up and cleavage: effects of strain gradient plasticity on micro-crack initiation in ferritic steel“. In: Int. J. Fracture. 215.1 (2018), S. 1–15
    N. A. Giang, A. Seupel, M. Kuna und G. Hütter
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10704-018-0313-8)
  • „Effect of Gradient Plasticity on Crack Initiation and Propagation in the Ductile-Brittle Transition Region of Ferritic Steel“. In: Proc. Struct. Integrity 13 (2018), S. 45–50
    N. A. Giang, M. Kuna und G. Hütter
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.prostr.2018.12.008)
 
 

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