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Macht und Einfluss. Einflussnahme auf den Herrscher zwischen Antike und Mittelalter

Antragsteller Dr. Fabian Schulz
Fachliche Zuordnung Alte Geschichte
Griechische und Lateinische Philologie
Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 269296551
 
In autokratischen Systemen kommt denjenigen, denen es gelingt, die Entscheidungen und Einstellungen des Machthabers zu beeinflussen, ebenfalls Macht zu. Dieser evidente, aber wenig erforschte Zusammenhang lässt sich besonders gut in der Spätantike untersuchen, in der sich wichtige Rahmenbedingungen von Einflussnahme infolge von politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Umbrüchen veränderten. Nachdem das römische Reich im Zuge der sog. Völkerwanderung in zwei Hälften zerbrochen war, lebte das Kaisertum im byzantinischen Osten fort; im Westen traten germanische Könige auf. Das Ohr des Herrschers versuchten viele zu gewinnen: vom Hofeunuchen, der dem Kaiser besonders nah war, bis zum Bischof, den die Christianisierung auf den Plan brachte. Die Folge war scharfe Konkurrenz, die zu Konflikten führte und ein polemisches Schrifttum beförderte. Meist war es die Sicht des Stärkeren, die in die Geschichte einging.Diese Einflussnehmer sind nicht gut erforscht, da sie einen heterogenen Personenkreis bildeten, der sich weder ganz über Institutionen noch allein über die Nähe zum Herrscher greifen lässt. Sie verfügten zudem über Mittel, die nicht nur Worte, sondern auch Gesten umfassten. Tendenziöse Quellen, die bestimmte Einflussnehmer mit Rollenbildern (z.B. Warner vs. Verführerin), Einflussnahme mit Ordnungsvorstellungen (z.B. Religion) und ihre Repräsentation mit Erzählmustern (z.B. guter Herrscher/ schlechter Ratgeber) überzeichnen, wurden lange von der Forschung fortgeschrieben oder gänzlich verworfen. Bis heute hat die Untersuchung von Einflussnahme in ihrer praktischen und diskursiven Dimension weder in der Alten Geschichte noch in der Mediävistik Tradition. Das vorliegende Projekt adaptiert erstmals eine sozialpsychologische Heuristik (B. Ravens Power/ Interaction Model of Interpersonal Influence), um die Ressourcen und Strategien der Einflussnehmer sowie die Modi und Bedingungen der Einflussnahme zu analysieren. Dadurch lassen sich überkommene Dichotomien, in denen Einflussnahme oft gedacht wurde und wird, wie männlich/ weiblich, heidnisch/christlich, römisch/germanisch überwinden. Gleichzeitig soll die Überzeichnung der Akteure und Interaktionen mit den Mitteln der Diskursanalyse herausgearbeitet werden. Indem die Interdependenz von historischem Akteur, gesellschaftlichem Stereotyp und literarischer Figur aufgezeigt wird, lässt sich zwischen tatsächlichen und wahrgenommenen Machtverschiebungen unterscheiden. Durch die zeitliche und räumliche Staffelung der Teilprojekte (284-395, 395-565 Osten, 395-568 Westen) lässt sich ferner prüfen, inwieweit die Einflussnahme und ihre Diskurse mit den angesprochenen Umbrüchen korrelieren. Ihre historische und kulturelle Bedingtheit wird so illustriert. Ziel ist es, Einflussnahme als Gegenstand der historischen Betrachtung zu etablieren und durch die Untersuchung des (angeblichen) Einflusses auf Herrscher einen wichtigen Beitrag zu Politik- und Mentalitätsgeschichte zu leisten.
DFG-Verfahren Emmy Noether-Nachwuchsgruppen
 
 

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