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Virtuosin der Vermittlung - die deutsch-amerikanische Verlegerin Helen Wolff (1906-1994). Eine biographische Studie zur Verlagsgeschichte des 20. Jahrhunderts in geschlechterhistorischer und transnationaler Perspektive
Antragstellerin
Dr. Marion Detjen
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 269374664
Buch- und Literaturverlage im 20. Jahrhundert waren Versammlungsorte, Kristallisationsorte, an denen Deutungen hergestellt und durchgesetzt wurden. Verlagsgeschichte als Geschichte der materiellen, mentalen und sozialen Produktionsbedingungen von Literatur ermöglicht Untersuchungen darüber, wie Weltbilder geschaffen und vermittelt, Ressourcen aufgebaut, Distinktionsgewinne realisiert und symbolische Herrschaft organisiert wurden. Dabei sind zwei Aspekte bisher noch weitgehend vernachlässigt: 1) die transnationale/transkulturelle Dimension des Verlegens, die durch die Übersetzungs- und Vermittlungsleistungen der Verlage und die transnationalen personellen Netzwerke entstand, und 2) der geschlechtergeschichtliche Aspekt, die Geschlechterkonstruktionen und Geschlechterrollenzuschreibungen, die das männliche Konzept des Verlegers in einer in besonderem Maße von Frauen geprägten Branche erzeugten und begleiteten. Das Vorhaben widmet sich diesen Dimensionen in Form einer biographischen Fallstudie, zu einer Verleger-Figur, die eine Schlüsselstellung in den europäisch-transatlantischen literarischen Netzwerken inne hatte: Helen Wolff (1906-1994), Ehefrau und Witwe des Verlegers Kurt Wolff (1887-1963), 1933 aus Deutschland emigriert, 1941 Mitbegründerin des US-amerikanischen Verlags Pantheon Books und 1961 des Imprints für europäische Literatur A Helen and Kurt Wolff Book im Verlagskonzern von Harcourt, Brace, öffnete zahlreichen deutschen und europäischen Nachkriegsschriftstellern (Günter Grass, Max Frisch, Uwe Johnson, Italo Calvino u.v.m.) den US-amerikanischen Markt und nahm eine Brückenfunktion zwischen den Kulturen ein. Es will das durch autobiographische Inszenierung einerseits und eine konservierende Verlagsgeschichtsschreibung andererseits verfestigte Bild der international einflussreichen Verlegerin dekonstruieren und nach neuen Kriterien entwickeln. Die Studie wurde auf einer Stelle am Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin vorbereitet und soll nun auf einer eigenen Stelle zum Abschluss gebracht werden. Anschließend ist vorgesehen, die Repräsentativität und Tragweite ihrer Aussagen in einem weiter führenden Forschungsprojekt zu überprüfen, um Verlagsgeschichte als geschlechtersensible, transnationale Verflechtungsgeschichte neu zu konzipieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen