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TRR 174:  Räumliche-zeitliche Dynamik bakterieller Zellen

Fachliche Zuordnung Biologie
Medizin
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 269423233
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bakterien sind in der Umwelt allgegenwärtig und beeinflussen aufgrund ihrer enormen ökologischen, medizinischen und biotechnologischen Bedeutung viele Aspekte des menschlichen Lebens. In den letzten drei Jahrzehnten haben neue methodische und technologische Entwicklungen nie dagewesene Einblicke ihre Biologie ermöglicht. Diese Fortschritte haben zu der Erkenntnis geführt, dass Bakterien eine hoch organisierte Zellstruktur aufweisen, die sich durch die präzisen Anordnung von Biomolekülen innerhalb des zellulären Raums auszeichnet. Die beobachteten Lokalisationsmuster sind in der Regel dynamisch und verändern sich im Lauf der Zeit in Abhängigkeit vom Zellzyklus oder als Reaktion auf äußere Einflüsse. Diese räumlich-zeitliche Dynamik bildet die Grundlage für grundlegende zelluläre Prozesse wie Zellwachstum und Zellteilung, DNA-Segregation, Zellzyklusregulation, Zelldifferenzierung, Interaktionen mit der Umwelt und Motilität. Trotz der beträchtlichen Fortschritte auf diesem Gebiet ist jedoch immer noch unklar, wie diese dynamische räumliche Organisation zustande kommt und wie sie sich im Lauf der Evolution entwickelt hat. Die Forschungsgruppen des TRR 174 verfolgten einen stark kollaborativen und interdisziplinären Ansatz, um diese offenen Fragen anzugehen und die räumlich-zeitliche Dynamik bakterieller Zellen umfassend zu analysieren. Der TRR 174 umfasste 16 Forschungsgruppen aus Marburg und München, die neben einem gemeinsamen Interesse an der bakteriellen Zellbiologie stark komplementäre Expertisen einbrachten, die von der Molekularbiologie, Zellbiologie und Genetik über die biochemische, biophysikalische und strukturelle Charakterisierung von Proteinen bis hin zur mathematischen Modellierung und synthetischen Biologie reichten. Auf der Basis dieses hochgradig interdisziplinären Hintergrunds untersuchte das Konsortium eng miteinander verknüpfte, räumlich-zeitlich organisierte Systeme, die entscheidend zur Funktion von bakteriellen Zellen beitragen. Der Schwerpunkt lag dabei auf (i) Zellwachstum, Morphogenese und Zellteilung, (ii) der DNA-Organisation und Verteilung von DNA (iii) der Positionierung von Motilitätsstrukturen und (iv) der Dynamik der Assemblierung von Membranproteinkomplexen. Das zentrale Ziel dieser Studien war es, zu verstehen, wie lokale Interaktionen zwischen einzelnen zellulären Komponenten zur dynamischen dreidimensionalen Organisation bakterieller Zellen führen können. Zu diesem Zweck identifizierte das Konsortium die Komponenten, die die analysierten Prozesse vermitteln, untersuchte ihr kollektives Verhalten in vivo und analysierte ihre Eigenschaften und Wechselwirkungen in vitro. In einem komplementären Ansatz wurden Modellierungsstudien durchgeführt, mit deren Hilfe die emergenten Eigenschaften der untersuchten Systeme analysiert werden konnten. Schließlich wurden Rekonstitutionsstudien an isolierten Systemen vorgenommen, um die Vollständigkeit des gewonnenen Verständnisses zu überprüfen. Die im TRR 174 durchgeführten Arbeiten involvierten eine Reihe von verschiedenen bakteriellen Modellorganismen. Die Untersuchung definierter zellulärer Prozesse in evolutiv divergenten Arten ermöglichte es, zu klären, ob räumlich-zeitlich organisierte Systeme, die bestimmte zelluläre Prozesse vermitteln, auf ähnlichen Konstruktionsprinzipien beruhen. Darüber hinaus half dieser vergleichende Ansatz, verschiedene Lösungen zu identifizieren, die sich im Lauf der Evolution zur Erfüllung bestimmter zellulärer Aufgaben herausgebildet haben. Langfristig können die Ergebnisse des TRR 174 dazu beitragen, neue Angriffspunkte für Antibiotika zu identifizieren. Zudem liefern sie Grundlagen für das Design synthetischer, räumlich-zeitlich organisierter System, mit deren Hilfe Zellen für bestimmte Zwecke optimiert werden können. Insgesamt führten die Arbeiten des TRR 174 zu 104 Publikationen in international anerkannten und begutachteten Fachzeitschriften. Besonders hervorzuheben ist, dass 35 Veröffentlichungen aus gemeinsamen Projekten von zwei oder mehr Forschungsgruppen resultierten. Um den Austausch von Ergebnissen und Ideen mit der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft zu erleichtern, war der TRR 174 Gastgeber für 58 international renommierte Wissenschaftler, die Vorträge über neueste Erkenntnisse in den vom Konsortium abgedeckten Forschungsbereichen hielten. Außerdem organisierte das Konsortium zwei große internationale Konferenzen auf dem Gebiet der bakteriellen Zellbiologie und leistete organisatorische und finanzielle Unterstützung für verschiedene andere wissenschaftliche Symposien, Workshops und Sommerschulen. Der TRR 174 beteiligte sich auch an einer Vielzahl von Aktivitäten mit dem Ziel, seine Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Die kollaborative Arbeit im TRR 174 wurde durch umfassende Unterstützungsstrukturen erleichtert, die die Interaktion zwischen den beteiligten Forschungsgruppen förderten und den wissenschaftlichen Nachwuchs umfassend auf die nächsten Schritte ihrer professionellen Karriere vorbereiteten. Insgesamt wurden im Rahmen des Verbunds 47 Doktorarbeiten (~50% von weiblichen Forschenden) erfolgreich abgeschlossen. Eine umfassende Weiterbildung der Promovierenden wurde durch eine Reihe von Aktivitäten gewährleistet, darunter Gastvorträge, Seminare, Klausuren, Workshops zum Erwerb wissenschaftlicher und übertragbarer Qualifikation sowie Besuche bei Industrieunternehmen. Geschlechtergerechtigkeit und Familienfreundlichkeit wurden durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen, Workshops und speziell auf die Bedürfnisse von Nachwuchswissenschaftlerinnen zugeschnittene Beratungsangebote gefördert. Insgesamt haben die Aktivitäten des TRR 174 einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Mechanismen geleistet, die der räumlich-zeitlichen Dynamik zellulärer Prozesse in Bakterien zugrunde liegen. Das Konsortium hat einen weithin sichtbaren Fußabdruck in seinem Forschungsgebiet hinterlassen, eine neue Generation kritisch denkender, breit ausgebildeter Wissenschaftler hervorgebracht und ein solides Fundament für eine weitere enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Forschungsgruppen gelegt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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