Werk - Wandel - Identität: Max Regers Mozart- und Beethoven-Variationen als musikalische Selbstzeugnisse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt zielte auf die Untersuchung und das Verständnis von musikalischen Werktextkonfigurationen im Kontext werkgenetischer Prozesse. Dabei galt es, anhand autographer Quellen die jeweilige Text- aber auch Autoridentität zu bestimmen und den Wandel über die Textformate (werkgenetisches Textstadium und gattungsspezifische Textform) hin zu verfolgen. Grundlegend war dafür das Verständnis musikalischer Quellen als Selbstzeugnisse und deren Aussagekraft hinsichtlich der sie bedingenden Prozesse sowie erkennbaren Strukturen. Den Kern des Projektes bildeten damit textgenetische Untersuchungen unterschiedlicher musikalischer und verbalschriftlicher Quellen Max Regers. So konnte das Projekt etwa in der textkritischen Untersuchung der Verlagskorrespondenz nachweisen, wie sich die Werkidentität von dem teils explorativen Stichvorlagenautograph auf den Druck in Form von Korrekturfahnen verlagerte. Ebenso war zu beobachten, dass sich Schreibpraktiken der musikalischen Komposition und der brieflichen Korrespondenz wechselseitig beeinflussten. Aus der Perspektive der Schreibszene und der Konzeption des musikalischen Selbstzeugnisses mit Blick auf Musikautographe war für das Projekt zunächst Grundlagenarbeit zu leisten. Auch wenn sich beide Konzepte für die musikalische Schaffensprozessforschung seit längerem als konstruktiv erwiesen haben dürften, ist ihre Wahrnehmung und Anbindung an musikwissenschaftliche Ansätze kaum zu beobachten – liegt es doch nahe, neben den verbalsprachlichen Selbstzeugnissen (schriftliche Korrespondenzen, Tagebücher, Notizen usw.) einer Künstlerpersönlichkeit (in diesem Falle eine Komponistenpersönlichkeit) auch notenschriftliche Selbstzeugnisse (also Skizzen, Entwürfe, Reinschriften, Drucke usw.) als solche zu verstehen. Dazu waren für das vorliegende Projekt eine theoretische Fundierung und Adaption des literaturwissenschaftlichen Konzepts der Schreibszene und der geschichtswissenschaftlichen Konzeption der Selbstzeugnisse nötig. Der Schwerpunkt des Projektes lag also neben der mikrochronologischen, philologisch textgenetischen Erschließung verschiedener kompositorischer Arbeitsdokumente Max Regers ebenso auf der methodischen und theoretischen Verknüpfung mit anderen Disziplinen. Zu erkennen waren mit Blick auf Reger nicht nur verschiedene musikalische Schreibpraktiken und deren spezifische textgenetische (kreativ kompositorische) Potenziale, sondern auch ein bereits an den Quellen zu revidierendes Bild vom so genannten ‚Kopfkomponisten‘ Max Reger. Für die Musikforschung wird mit dem abgeschlossenen Projekt, dessen Ergebnisse in einer Monographie hybrid publiziert werden, ein methodischer und theoretischer Ansatz vorliegen, der Impulse setzen kann. Textgenetische musikphilologische Studien, also Untersuchungen der kreativen Prozesse und der expliziten Werkgenese, rücken damit aus dem Schattendasein der großen Werkeditionen ins Zentrum der Forschung zu musikalischen Schaffensprozessen. Die zentrale Frage, wie Musik eigentlich entsteht, ist im Falle von notierter (aufgeschriebener) Musik somit neu in einem interdisziplinären Spannungsfeld zu betrachten, das über die Disziplinengrenzen hinaus anschlussfähig ist und zukünftige Forscher zu weiteren Studien auffordern dürfte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Vom Werken und Werden in Max Regers Beethoven-Variationen op. 86, in: Beitragsarchiv des Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung, Mainz 2016 – Wege der Musikwissenschaft, hrsg. von Gabriele Buschmeier und Klaus Pietschmann, Mainz 2017
Fabian Czolbe