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Redoxreaktionen in Gläsern

Fachliche Zuordnung Herstellung und Eigenschaften von Funktionsmaterialien
Förderung Förderung von 2006 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27030674
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Redox-Wechselwirkungen zwischen zwei polyvalenten Elementen in Glasschmelzen konnte weiter aufgeklärt werden. Wenn die entsprechende Standardreaktionsenthalpie ∆H0AB für diese Wechselwirkung zu klein ist, dann verhalten sich beide polyvalente Elemente so, als sei jedes nur allein im Glas, zeigen also keine Wechselwirkung, und folglich bleibt das Verhältnis zwischen oxidierten und reduzierten Spezies konstant im untersuchten Temperaturbereich. Im anderen Fall führt die Wechselwirkung aber dazu, dass sich die Konzentrationsverhältnisse zwischen den jeweiligen oxidierten und reduzierten Spezies während des Abkühlens und des Aufheizens verändern, wobei bei Temperaturen oberhalb Tg + 60 K die Redoxpartner miteinander im thermodynamischen Gleichgewicht stehen, bei Temperaturen unterhalb Tg (- 50 K) ist die Redoxreaktion eingefroren, und im dazwischen liegenden Temperaturbereich spielt die Kinetik eine wesentliche Rolle, so dass die Relaxation der Redoxprozesse beobachtet werden kann. Das führt zu einem charakteristischen Verlauf der Konzentrationen der einzelnen Redoxspezies während des Aufheizens und während des Abkühlens. Aus kinetischen Untersuchungen konnten die Aktivierungsenergien für die Redoxreaktionen in untersuchten Kombinationen polyvalenter Elemente bestimmt werden. Sie sind im Fall von Cr3+/Cr6+//Mn2+/Mn3+ in der gleichen Größenordnung wie die Aktivierungsenergie des viskosen Fließens für das betreffende Grundglas. Dagegen ist die Aktivierungsenergie der Redoxreaktion im Fall von zum Beispiel Cu+/Cu2+//As3+/As5+ sehr viel kleiner als die Aktivierungsenergie des viskosen Fließens und liegt in der Größenordnung der Aktivierungsenergie der Diffusion zweiwertiger Kationen in der Glasmatrix. Daraus kann gefolgert werden, dass im ersten Fall die erforderliche koordinative Umordnung (Cr3+ ist oktaedrisch, Cr6+ dagegen tetraedrisch von Sauerstoff umgeben) der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist, während im zweiten Fall bei im wesentlichen unveränderter Koordination der Redoxpartner die Diffusion von Cu2+ der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist. Diese Reaktion ist das erste Beispiel für eine diffusionskontrollierte homogene Reaktion in einem Glas. Bei den Abkühlexperimenten konnten fiktive Einfriertemperaturen für die Redoxreaktionen ermittelt werden, die von der Abkühlgeschwindigkeit abhängen und damit einen analogen Verlauf zeigen wie die durch die Bartenev-Gleichung beschriebenen Transformationstemperaturen. Die Aktivierungsenergie von Redoxreaktionen in Gläsern kann recht einfach aus der Abhängigkeit der fiktiven Redoxtemperatur von der Abkühlgeschwindigkeit bestimmt werden. Sie entsprechen den Aktivierungsenergien aus der Bartenev-Gleichung und sind für das Redoxsystem mit erforderlicher koordinativer Umordnung wieder ähnlich den Aktivierungsenergien für das viskose Fließen im betreffenden Temperaturbereich. Die erhaltenen Ergebnisse liefern einen Beitrag zum besseren Verständnis der Farbgebung in Gläsern und zur besseren Kontrolle der Farbgebung. Durch Nutzung der Redoxrelaxation wird eine genaue Einstellung der optischen Transmission durch gezieltes Tempern der Gläser ermöglicht. Die Ergebnisse dienen der weiteren Aufklärung von Färbe- und Entfärbemechanismen in Gläsern. Sie zeigen Wege auf, die optische Transmission von Gläsern durch Tempern gezielt einzustellen. Das ist von grundsätzlicher praktischer Bedeutung, da die Absorption von Schmelzen und die damit unmittelbar verbundene Lichtemission ganz wesentlich von den darin vorhandenen polyvalenten Ionen und ihrem Redoxzustand abhängen. Das wiederum bestimmt aber weitgehend den Wärmetransport beim Erschmelzen eines Glases, somit auch die Konvektion im Schmelzaggregat und den gesamten Schmelzprozess. Eine mögliche zukünftige Anwendung könnte darin bestehen, dass Gläser, die sich durch eine Wärmenachbehandlung beispielsweise entfärben lassen, durch kurzzeitiges lokales Aufheizen mit Hilfe von Lasern lokal wieder starke Absorption aufweisen können. Dieser Effekt könnte beispielsweise zur Herstellung neuer optischer Speicher nützlich sein.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Redox reactions During Temperature Change in Soda- Lime-Silicate Melts Doped with Copper and Iron or Copper and Manganese, J. Non- Cryst. Solids 352 (2006) 4062 – 4068
    L. Kido, M. Müller, C. Rüssel
  • Redoxrelaxation in Gläsern. Fachausschuss I „Physik und Chemie des Glases“ der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft, Ilmenau, 22.03.2007
    L. Kido, M. Müller, C. Rüssel
  • High temperature investigation of soda-lime-silica glasses doped with manganese and chromium. Poster 9th ESG Conference, Trencin, 22.-26.06.2008
    L. Kido, M. Müller, C. Rüssel
  • Redox Relaxation in Glass Melts. International Conference on the Physics of Non-Crystalline Solids, Iguacu, Brasil, 6.-10. September 2009
    E. Meechowas, M. Müller, L. Kido, C. Rüssel
  • Redox Relaxation in Glass Melts Doped with Copper and Arsenic, J. Am. Ceram. Soc. 93 (2010) 1032-1038
    E. Meechowas, M. Müller, C. Rüssel
 
 

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