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Molekulare Ursachen der physiologischen Wirkung von 3,4-Dideoxyglucoson-3-en (3,4-DGE)

Fachliche Zuordnung Lebensmittelchemie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270559706
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Während der thermischen Behandlung von glucosehaltigen Arznei- und Lebensmitteln entstehen in bedeutendem Umfang Zuckerabbauprodukte (engl. glucose degradation products, GDPs). GDPs besitzen häufig α-Dicarbonylstrukturen, so dass die Abbauprodukte eine höhere chemische Aktivität und Toxizität besitzen als die Zucker selbst. Zum Beispiel bei Peritonealdialysepatienten können GDP-haltige Dialyselösungen die peritoneale Permeabilität reduzieren, was längerfristig zum Therapieabbruch führt. Die physiologischen Effekte der GDPs scheinen vor allem durch 3,4-Dideoxyglucoson-3-en (3,4-DGE) verursacht zu werden. Obwohl dieses GDP nur in relativ kleinen Mengen gebildet wird, zeigt es eine sehr hohe zytotoxische und enzyminhibierende Wirkung. Ziel des abgeschlossenen Projekts war es, die molekularen Ursachen dieser Beobachtungen zu entschlüsseln. Zunächst konnte gezeigt werden, dass unter physiologischen Bedingungen 3,4-DGE im Gegensatz zu andere GDPs sehr schnell weiterreagiert (92% Abbau nach 32 h bei 37 °C). Diese Ergebnisse unterstreichen die hohe chemische Reaktivität von 3,4-DGE, die in Folgeversuchen dann auch zu einer starken Modifikation von reaktiven Peptidseitenketten führte (57% Peptidabbau nach 2 h Inkubation mit 3,4-DGE bei 37 °C). Somit könnten 3,4-DGE-Addukte der Aminosäureseitenketten für die beobachtete Enzyminaktivierung ursächlich sein. Um die Struktur der wichtigsten Addukte zu identifizieren, wurde eine ungerichtete Addukt-Profilanalyse eines 3,4-DGE-modifizierten Nonapeptids mittels UHPLC-MS/MS im Enhanced-Resolution Scan Modus durchgeführt. Es konnten vier Addukte nachgewiesen werden, wobei die Modifikation mit einer Masse von +142 Da eine bisher unbekannte Proteinmodifikation darstellte, die als stabiles Produkt eine wichtige Rolle bei der Enzyminaktivierung spielen könnte. Produktionenspektren zeigten, dass es sich um ein Addukt der Cysteinseitenkette handelt. Dies ist von besonderem Interesse, da andere GDPs und auch Zucker Cystein nur in geringem Umfang angreifen, so dass die spezifische Modifikation von Cystein durch 3,4-DGE eine Erklärung für die besondere toxikologische Relevanz dieses GDPs darstellen könnte. Im Anschluss wurde das bisher unbekannte Cysteinaddukt mit einer Masse von +142 Da isoliert und mit Hilfe von mehrdimensionalen NMR- und hochauflösenden MS-Experimenten als [6-Hydroxy-2-(hydroxymethyl)-5-oxo-5,6-dihydro-2H-pyran-3-yl]-cystein (HHPC) identifiziert. In weiteren Untersuchungen muss nun geklärt werden, unter welchen Bedingungen HHCP bei der Reaktion von 3,4-DGE mit Proteinen in vitro und in vivo gebildet wird und welchen Einfluss HHCP auf die irreversible Inaktivierung von Enzymen ausübt. Zusammenfassend ist festzuhalten: Bei der Sterilisation von glucosehaltigen Medizinprodukten bildet sich 3,4-DGE, das zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Patienten führen kann. Die aktuellen Ergebnisse konnten zur Erklärung dieser Beobachtungen beitragen: 3,4-DGE reagiert mit Peptiden bevorzugt an Cysteinresten, die durch andere GDP praktisch nicht angegriffen werden. Weiterhin konnte ein wichtiges Reaktionsprodukt als HHPC identifiziert werden. Intakte Cysteinreste sind im Vergleich zu anderen Aminosäuren besonders wichtig für die Proteinfunktion, wobei gerade die Bildung von HHPC diese schädigen könnte. Die Konzentration von 3,4-DGE in Medizinprodukten stellt somit einen geeigneten Indikator für die Biokompatibilität der Produkte dar und es sollte angestrebt werden, seine Bildung durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Überraschend war für uns, dass die initiale Oxidation des Michael-Addukts von Cystein und 3,4-DGE nach eine mehrstufigen Reaktion final zu einer formalen Dehydrierung der Seitenkette führt. Das dabei entstandene Produkt war das einzig nachweisbare Oxidationsprodukt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016) Chemistry and clinical relevance of carbohydrate degradation in drugs. Drug Discov. Today 21: 1620- 1631
    Pischetsrieder M, Atzenbeck L, Gensberger-Reigl S, Weigel I
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.drudis.2016.06.011)
  • (2017) 3,4-DGE – ein α-Dicarbonyl, das Cysteine modifiziert. Lebensmittelchemie 71: 130-131
    Atzenbeck L, Göttler A, Pischetsrieder M
  • (2018) Food-derived 1,2-dicarbonyl compounds and their role in diseases. Semin Cancer Biol, 49: 1-8
    Hellwig M, Gensberger-Reigl S, Henle T, Pischetsrieder M
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.semcancer.2017.11.014)
 
 

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