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Die bronzezeitliche Hafensiedlung auf der Halbinsel Tavsan Adasi und die spätere Nachbesiedlung bis in byzantinische Zeit. Archäologische Untersuchungen nördlich des antiken Hafens von Didyma, Westtürkei

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270665320
 
Erstellungsjahr 2024

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Tavşan Adası, eine kleine durch See-Erosion bedrohte Insel, liegt nördlich des antiken Hafens von Didyma knapp 200 m vor der westtürkischen Küste. Sie war einst die Spitze einer Landzunge, die mit dem türkischen Festland verbunden war. Von 2006 bis 2014 führte die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg systematisch Ausgrabungen durch. Dabei konnten die Überreste eines wichtigen Handelsstützpunktes mit zwei natürlichen Häfen aus der zweiten Hälfte des dritten und der ersten Hälfte des zweiten Jts v. Chr. dokumentiert werden. Die komplexen, südägisch beeinflussten, Architekturreste finden umfangreiche Entsprechungen auf Kreta und den Kykladen. Zahlreiche Importe aus der Südägäis und deren lokale Adaptionen ermöglichen es, zusammen mit den lokalen Formen und in Abgleich mit den Ergebnissen der Feldforschungen in Milet und Iasos usw. die Bedeutung der karischen Küste innerhalb der ägäischen Bronzezeit besser zu verstehen. Das Material aus Tavşan Adası weist sehr enge Verbindungen u.a. zum Heraion auf Samos, zu Kos und zu Trianda auf Rhodos auf. Eine vergleichende Untersuchung der Gesamtheit der bronzezeitlichen Funde des Dodekanes und der angrenzenden kleinasiatischen Küstenregion zeigt klar, dass in diesem Raum das Meer seit der Frühzeit als verbindendes und nicht als trennendes Element wahrgenommen wurde. Die geläufige Charakterisierung der ägäischen Küste als Grenzregion zwischen Anatolien und der Ägäis, wobei die kleinasiatische Küste zu Anatolien und die dodekanesischen Inseln zur Ägäis zählen, ist eher von modernen Staatsgrenzen und nationalen Forschungstraditionen geprägt als von der vorgeschichtlichen Realität. Die durch die Grabungen der letzten Jahrzehnte immer deutlicher hervortretenden Verbindungen führten dazu, eine eigene kulturelle SASCAR-Region (Southeast Aegean/Southwest Coastel Anatolian Region) zu definieren und die besondere kulturgeschichtliche Rolle dieses Raumes in der Bronzezeit als eigenständigen Kulturkomplex herauszustreichen. Die Basis dafür liefert ein auf transmaritime Konnektivität ausgerichtetes südostägäisches Netzwerk. Die transmaritimen Bindungen innerhalb der SASCAR-Region boten vielfältige Möglichkeiten zur sozialen Interaktion, zur Mobilität und zu einem geregelten Fluss von Waren, Rohstoffen, Innovationen, Moden, ideologischen Inhalten usw. Die diachrone, intraregionale Verortung unseres Materials innerhalb dieses südostägäischen Kulturkomplexes ermöglicht es, den sog. Minoisierungsprozess neu zu beleuchten. Dafür werden die externen Anreize auf die Keramikproduktion von Tavşan Adası und des gesamten SASCAR-Gebietes untersucht, ohne dabei die inhärenten lokalen Keramiktraditionen zu vernachlässigen. Auf diese Weise konnten wir ‚Minoer’ bzw. ‚minoisch’ klar als begriffliche Hilfskonstrukte darlegen, die keineswegs im Sinne einer politischen oder ethnischen historischen Einheit zu verstehen sind. Für eine auf Knossos ausgerichtete und bis in die Südostägäis reichende Thalassokratie lassen sich keine Belege finden, für eine minoische Kolonisierung einzelner Hotspots der ägäischen Küsten Kleinasiens ebenfalls nicht. Allerdings standen die SASCAR-Region und die Südägäis über das Meer hinweg in engem Austausch zueinander. Die von uns festgestellte stratigraphische Abfolge auf der Insel liefert ferner einen wichtigen Beitrag zur Typochronologie dieses Raumes während der Phasen TA 2 bis TA 4. Die Bedeutung der lokalen Keramikproduktion mit ihren charakteristischen Waren, die zwar südägäische Impulse aufnehmen, diese aber weiterverarbeiten bzw. adaptieren, spricht klar dafür, dass die SASCAR-Region durchaus als eigener Kulturkomplex zu verstehen ist. Der Austausch mit der Südägäis passiert auf der Basis transmaritimer Kommunikation, die offenbar auf einer wirtschaftlich und kulturell begründeten Interessengemeinschaft von Gleichgestellten beruht. Die letzte bronzezeitliche Siedlung von TA 4 wurde sehr wahrscheinlich am Ende von spätminoisch IA von einem Tsunami-Event im Anschluss an den verheerenden Thera-Ausbruch des Jahres 1613 cal B.C. zerstört.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • In between: Tavşan Adası, a Bronze Age Harbour Settlement in Western Turkey, Paper presented at the workshop “Para-colonial legacies: German and British imaginaries of Ancient Aegean landscape, McDonald Institute, University of Cambridge, 16.-17. December 2016
    K. Eckert
  • K. Eckert, The Middle Bronze Age Ceramics of Tavşan Adası in their South Aegean Context. Paper presented at the Workshop T. Marketou/S. Vitale, SASCAR. The Southeast Aegean/ Southwest Coastal Anatolian region: Material Evidence and Cultural Identiy. I Early and Middle Bronze Age, Italian Archaeological School at Athens, 12.-14. Mai 2016, Athens
    K. Eckert;
  • Tavşan Adası. Minoans in Asia Minor? Paper presented at the Workshop SASCAR. The Southeast Aegean/Southwest Coastal Anatolian region: Material Evidence and Cultural Identiy. I Early and Middle Bronze Age, Italian Archaeological School at Athens, 12.-14. Mai 2016, Athens
    F. Bertemes
  • Türkei. Die Grabungen des Jahres 2012. iDAI Publications – e-Forschungberichte 1, 2016, 168-173
    F. Bertemes & Tavşan Adası
  • Die Inselkapelle bei Ιερον. Das Leben im Kleinen mit Blick auf das Große. In: U. Verstegen/A. Paranou (Hrsg.), Arbeitsgemeinschaft Christliche Archäologie zur Erforschung spätantiker, frühmittelalterlicher und byzantinischer Kultur. Mitteilungsheft 36, 2017/2018 (Erlangen 2017)
    K. N. Rauh
  • Tavşan Adası. An introduction, paper presented at the workshop, Tavşan Adası and the Southeast Aegean/Southwest Coastal Anatolian Region (SASCAR) – A ceramic perspective, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, 10.-11. November 2017
    F. Bertemes
  • Tavşan Adası. The Microregional Pottery of the phases TA 2 to TA 4, Paper presented at the workshop, Tavşan Adası and the Southeast Aegean/Southwest Coastal Anatolian Region (SAS- CAR) – A ceramic perspective, Martin-Luther-University Halle-Wittenberg, 10.-11. November 2017
    K. Eckert
  • Tavşan Adası: The Microregional Pottery of the phases TA 2 to TA 4, 11. November 2017, Charles University Prague
    K. Eckert
  • Understandig the Milesian Peninsula in the Bronze Age: An integrated approch from a ceramik perspective – The settlement on Tavşan Adası, 6th Conference in Aegean Archaology, June 14-15th, 2018
    K. Eckert
  • Tavşan Adası Band 1: Die bronzezeitliche Architektur von Tavşan Adası in ihrem ägäischen Kontext. Schriften des ZAKS 25 (Langenweißbach 2020) ISBN 978-3-95741-126-6
    M. R. Rechta
  • "Tavşan Adası - a Bronze Age Harbour Site on the Milesian Peninsula", Webinar organisiert von Hüseyin Cevizoglou Universität Izmir, April 2021
    F. Bertemes
  • Tavşan Adası Band 2: Die Steinartefakte von Tavşan Adası im Kontext des kulturellen Austausches zwischen der Ägäis und Anatolien während der Bronzezeit. Schriften des ZAKS 26 (Langenweißbach 2022) ISBN 978-3-95741-174-7
    K. Chr. Focke-Pellkofer
  • Tavşan Adası Band 3: The imported pottery of the Middle and Early Late Bronze Age harbour town of Tavşan Adası and its Aegean context. Schriften des ZAKS 27 (Langenweißbach 2022) ISBN 978-3-95741-175-4
    T. Neuser
  • Tavşan Adası Band 4: Tavşan Adası. Arbeiten aus den Jahren 2005 bis 2019. Schriften des ZAKS 28 (Langenweißbach viertes Quartal 2024)
    F. Bertemes & K. Hornung-Bertemes
 
 

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