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Gerechtigkeit als Frömmigkeit

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27173530
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das von 2006 bis 2009 durchgeführte DFG-Projekt „Gerechtigkeit als Frömmigkeit bei Martin Luther" setzt ein mit der Beobachtung, dass Luthers reformatorische Entdeckung sich im Kontext der Bußthematik auf den Begriff der „Gerechtigkeit Gottes" („SiKaiocruvri Öeou") bezog. Luther erkannte, dass er diesen Begriff und die mit ihm verbundenen biblischen und kirchlichen Aussagen nicht angemessen verstehen konnte, sondern fundamental missverstehen musste, weil er sie mit seiner im Studium erworbenen „aristotelischen Brille" las. Danach ist „Gerechtigkeit (Gottes)" diejenige Eigenschaft (Gottes), die dem Menschen das zuteil werden lässt, was er verdient. Die biblische Botschaft von der in Jesus Christus offenbarten „Gerechtigkeit Gottes" besagt ganz im Gegenteil, dass Gott sich dem Sünder, der sich von ihm abwendet, in Barmherzigkeit zuwendet und ihn annimmt. Luther erkennt, dass der Begriff „Gerechtigkeit" in unserer durch Aristoteles geprägten Sprache das nicht aussagt, sondern geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Damit stellte sich für ihn sofort die Frage, welcher Begriff stattdessen in Frage kommen könnte, um die biblischen Begriffe „sedakah" und „SiKaioouvri Oeou" zutreffend zu übersetzen. Das jetzt abgeschlossenen Projekt „Gerechtigkeit als Frömmigkeit bei Luther" zeigt, dass und warum Luther dafür den Begriff „fromkeit" wählt, der in der damaligen Zeit ein interpersonaler Begriff ist, der die Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft und Zugewandtheit einer Person anderen Personen gegenüber bezeichnet. Diesen Begriff wendet Luther nun auf Gott und auf den von Gott gerechtfertigten Menschen an, um so die biblische Rechtfertigungsbotschaft angemessener zum Ausdruck zu bringen, als es durch den Begriff „Gerechtigkeit" möglich war. Mehrere andere Reformatoren in Deutschland und in der Schweiz sind Luther darin gefolgt. Luther selbst hat an dieser Sprachbildung bis an sein Lebensende festgehalten und sie hat bis weit ins 17. Jahrhundert eine große Wirkungsgeschichte entfaltet. Durch Luther wurde der ursprünglich rein innerweltlich-sittliche Begriff „fromkeit" also zu einem auf Gott, auf die Gottesbeziehung des Menschen und auf den gläubigen Menschen angewandten und insofem religiösen Begriff. Dadurch wurde aber zugleich unbewusst und ungewollt eine erneute Begriffsverschiebung vorbereitet, die sich vom Ende des 17. Jahrhunderts an im Zusammenhang mit dem Pietismus ereignete. „Fromm" und „Frömmigkeit" wurden zu Begriffen, die eine besondere Form und Intensität der Gottesbeziehung und Religiosität bezeichneten. Damit wurde der Begriff aber ungeeignet, um auf die barmherzige, rechtfertigende Beziehung Gottes zum Menschen angewandt werden zu können. Und damit verlor der Begriff „fromkeit" seine Funktion als angemessenes sprachliches Äquivalent für „Gerechtigkeit" im Zusammenhang der Rechtfertigungsbotschaft und -lehre, ohne dass ein neues, allgemein anerkanntes Äquivalent an seine Stelle getreten wäre. Am ehesten wird hierfür in der theologischen Fachliteratur der Begriff „Gemeinschaftstreue" diskutiert, der dem ursprünglichen Sinn von „fromkeit" tatsächlich nicht fern steht. Wenn nach „Überraschungen" im Projektverlauf und bei den Ergebnissen gefragt wird, dann ist einerseits die von Hause aus nichtreligiöse Bedeutung von „fromkeit" zu nennen, die offenbar diesen Begriff für die biblisch-reformatorische Verwendung geeignet machte. Andererseits ist zu notieren, dass der Übergang vom Begriff „fromkeit" zum Begriff „Frömmigkeit" selbst schon den (neuerlichen) Bedeutungswechsel signalisiert, der dafür gesorgt hat, dass der Begriff nicht länger im biblisch-reformatorischen Sinn verwendbar war. Das Projekt hätte also heißen müssen: „Gerechtigkeit als fromkeit bei Martin Luther". Das vorliegende DFG-Projekt liefert Kriterien für die immer noch anstehende und im Gange befindliche Suche nach sprachlichen Mitteln zur verständlichen, sachangemessenen Vermittlung der biblischen Rechtfertigungsbotschaft und -lehre. Es kommt unter Anlegung dieser Kriterien selbst zu dem Vorschlag, „sedakah" bzw. „5iKaiocn)vri" durch „Vertrauenswürdigkeit" wiederzugeben. Ob dies ein geeigneter Vorschlag ist, wird in der theologischen und kirchlichen Diskussion erst noch zu prüfen sein. Selbst wenn er sich aber nicht durchsetzen sollte, werden die in diesem Projekt eruierten Kriterien wohl von dauerhafter Bedeutung sein.

 
 

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