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Industriestädte - Krisen, Krisenwahrnehmungen und Entwicklungsalternativen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 272096603
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Während die historische Industriestadtforschung bislang vor allem auf die klassischen Industrialisierungs- und Wachstumsphasen der Industriestädte im 19. Jahrhundert sowie die Schrumpfungs- und Deindustrialisierungsphasen seit den 1970er Jahren fokussierte und damit das Bild vom Aufstieg und Niedergang der Industriestädte erzeugte, zielte das Projekt darauf, in einem Vergleich von vier deutschen Mittelstädten Transformationsprozesse und Krisenwahrnehmungen und Krisenreaktionen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts differenziert in den Blick zu nehmen. Eine Leitfrage war, ob die simple Vorstellung vom Niedergang der Industriestädte zu halten ist oder ob hier nicht differenziertere Beschreibungen von Wandlungsprozessen notwendig sind. Im Zentrum stand vor allem die Frage, ob die in der Forschung betonte Transformation von Industriestädten in postindustrielle Wissenschafts-, Event- und Tourismusstädten zutreffend ist. Untersucht wurden die Autostädte Rüsselsheim (Zimmermann/Röhrig) und Wolfsburg (Heßler/Eiben) sowie die Hafen- und Industriestadt Wilhelmshaven (Heßler/Eiben) und die Stahlstadt Völklingen (Zimmermann/Röhrig). Konzeptionell sollte das Konzept der Pfadabhängigkeit auf seine Brauchbarkeit für historische Arbeiten geprüft werden. Beide Studien fokussierten auf die Zeit zwischen 1960 und 1990, insbesondere die 1970er und 1980er Jahre, und damit die Zeit, die in der Forschung vielfach als Strukturwandel bezeichnet wird. Der Blick auf den Strukturwandel erfolgt damit aus der Perspektive lokaler Akteure. Wichtige Ergebnisse des Projekts betreffen die zeitlichen Einordnungen von Krisen, Transformation und Strukturwandel. So setzte der Strukturwandel in den Städten zu unterschiedlichen Zeiten ein: Alle vier Städte gerieten bereits in den 1960er Jahren in Phasen unsicheren Wachstums bis Stagnation. Auffällig ist jedoch, dass die Autostädte Rüsselsheim und Wolfsburg bis in die 1970er Jahre noch zu den reichsten Städten der Bundesrepublik gehörten und Wolfsburg auch heute noch eine ausgesprochen wohlhabende Stadt ist. Völklingen befand sich dagegen seit den 1960er Jahren in einem Abwärtstrend. Wilhelmshaven gelang es trotz vieler Bemühungen nicht, Industrie anzusiedeln und kann als gescheiterte Industriestadt bezeichnet werden. Eine Zäsur stellte für alle untersuchten Städte die schwere bundesweite Rezession zu Beginn der 1980er Jahre dar. Deutlich zeigt sich auch, dass die Geschichte und die Geographie der Städte wesentlich waren für deren Entwicklung. So waren trotz gravierender Einschnitte und Schrumpfungsprozesse bei Opel in Rüsselsheim die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aufgrund der Lage im Rhein-Main-Gebiet gering, während die Lage Wilhelmshavens und seine schlechte infrastrukturelle Anbindung die Spielräume der Stadt erheblich einschränkten. Wichtig zu betonen ist, dass beide Autostädte keinen Wandel zu einer postindustriellen Stadt vollzogen, sondern eine Transformation hin zu einer Stadt mit nach wie vor nur einem zentralem Industrieunternehmen, in dem eine Tertiärisierung stattfand (hohe Bedeutung von Forschung und Entwicklung bei Opel, Rüsselsheim und Volkswagen, Wolfsburg), also eine neuer Typus von tertiärer Industriestadt entstand.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Als Wolfsburg die Krise bekam. Eine Perspektive auf die frühen 1970er Jahre“, in: Das Archiv. Zeitung für Wolfsburger Stadtgeschichte, Nr. 3, 2016, S. 11
    Eiben, Jörn
  • Entwicklungspfad und Transformation der Hüttenstadt Völklingen im Spiegel industrieller Krisen und Schrumpfung in den 1960er bis 1980er Jahren, in: Moderne Stadtgeschichte 2018, H. 2, S. 73-85
    Röhrig, Michael
  • „>Wilhelmshaven blickt seewärts<. Beginn und Ende eines wirtschaftspolitischen Pfades, in: Moderne Stadtgeschichte 2018, H. 2, S. 86-98
    Eiben, Jörn
  • „Pfade des Urbanen – Herausforderungen und Potenziale von Pfadkonzepten für die historische Stadtforschung“ (Themenheft: Moderne Stadtgeschichte 2018, H. 2)
    Eiben, Jörn (Hrsg.)
  • Industriestädte und ihre Krisen. Wilhelmshaven und Wolfsburg in den 1970er und 1980er Jahren, Göttingen: Wallstein, 2020
    Eiben, Jörn
 
 

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