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Generierung von Chromosomalen Kopienzahlvariationen in Human Stammzellen zur Modellierung Psychiatrischer Erkrankungen

Antragsteller Dr. Daniel Haag
Fachliche Zuordnung Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Förderung Förderung von 2015 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 272697065
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Entstehung neuropsychiatrischer Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie wird wesentlich von genetischen Faktoren mitbestimmt, welche jedoch in ihrer Form, Kombination, und Penetranz sehr unterschiedlich sein können. Eine in diesem Zusammenhang besonders interessante genetische Veränderung betrifft eine ca. 500 Kilobasen große Region auf Chromosom 16p11.2. Durch eine besondere Sequenzstruktur in dieser Region (segmentale Duplikationen) kann es hier gehäuft zu Rekombinationen kommen, welche Kopienzahlvariationen zufolge haben, so dass dieser Bereich auf einem Chromosom entweder dupliziert oder deletiert wird. Kopienzahlvariationen in diesem Bereich sind mit Autismus und Schizophrenie assoziiert und stellen einen der häufigsten genetischen Faktoren für diese Erkrankungen dar. Aufgrund der Besonderheit dieses chromosomalen Abschnittes, der in dieser Form nur im menschliche Genom vorkommt, liegt es nahe, die zugrundeliegenden krankheitsfördernden Mechanismen in humanen Zellmodellen zu untersuchen. Ziel des hier beschriebenen Projekts war es, humane pluripotente Stammzellen genetisch so zu verändern, dass eine Duplikation oder Deletion dieser Region in derselben Zelllinie einfach induziert werden kann, und somit die biologischen Auswirkungen alleinig eben dieser Veränderung erkennbar werden. Hierfür wurde ein System zur Genommodifikation entwickelt, bei dem Erkennungssequenzen (LoxP) des Cre-Rekombinationsenzyms an gezielten Stellen um die 16p11.2 Kandidatenregion herum in die DNA integriert werden. Das System besteht aus zwei DNA-Konstrukten, welche initiale Selektionsmarker (Balsticidin- und Puromycin-Resistenzgene) beinhalten, die zwischen zwei LoxP-Sequenzen liegen. Diese Selektionskassetten werden wiederum von zweigeteilten unterschiedlichen Resistenzgenen umfasst, so dass der Anfangsbereich eines Neomycin-Resistenzgens über die Selektionskassette mit dem Endbereich eines Hygromycin- Resistenzgens verbunden ist. Die jeweiligen Außenseiten der beiden Konstrukte bestehen aus Sequenzen, die dem Zielbereich im Wirtsgenom entsprechen (ca. 1.2 Kilobasen) und somit durch homologe Rekombination eine spezifische Integration ermöglichen. Nach erfolgreicher Einbringung dieser Konstrukte und anschließendem Entfernen der initialen Selektionskassetten durch kurze Zugabe des Cre-Enzyms, befinden sich dann zwei unvollständige Hybrid-Leserahmen für Neo/Hygro- und Hygro/Neo-Resistenzgene mit jeweils einer LoxP-Sequenz auf beiden Seiten der 16p11.2-Region. In dieser Konstellation sind die Hybrid-Resistenzgene unwirksam und die modifizierten Zellen sensitive gegenüber der Zugabe von Neomycin oder Hygromycin. Durch erneute Einbringung eines Cre-Enzyms, können die vorhandenen LoxP-Sequenzen nun entweder innerhalb eines Chromosomenarms oder zwischen zwei Schwesterchromatiden rekombinieren. Hierdurch wird entweder eine Deletion der 16p11.2-Region erreicht und das Neomycin-Resistenzgen aktiviert, oder eine Duplikation induziert und somit das Hygromycin-Resistenzgen aktiviert. Somit lassen sich in ein und derselben Zelllinie durch Zugabe der unterschiedlichen Toxine beide Kopienzahlvariationen erzeugen. Zunächst wurden die beiden DNA-Konstrukte mittels molekulargenetischer Klonierungsmethoden generiert und die Funktionalität dieses Systems getestet. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Hybrid-Leserahmen der Resistenzgene in der Tat unwirksam sind, jedoch auch, dass durch die Einbringung von LoxP-Sequenzen die Funktion der Proteine ebenfalls verloren geht. Nach etlichen Optimierungsansätzen konnte schließlich ein künstliches Intron mit der LoxP-Sequenz in die Leserahmen der Resistenzgene eingebaut werden, welches die volle Funktionsfähigkeit wiederherstellt. Anschließend wurden verschiedene Methoden zu gezielten Integration der DNA-Konstrukte in das Wirtsgenom der Zellen getestet, einschließlich adenoviraler Transduktion und Transfektion von DNA-schneidenden Enzymen (CRISPR/Cas9). Hier erwies sich jedoch die gezielte Insertion durch homologe Rekombination mit den Zielsequenzen um die 16p11.2 -Region herum als besonders schwierig, da dieser Abschnitt extrem reich and repetitiven Sequenzen ist und somit dieser Prozess höchst ineffizient abläuft. Nach intensiver Optimierungsarbeit konnten unter Verwendung von CRISPR/Cas9- nickasen, eine modifizierte Variante des Enzyms, welche DNA-Einzelstrangbrüche anstelle von Doppelstrangbrüchen generiert, beide Konstrukte in zwei verschiedene Stammzelllinien eingebracht und modifizierte Zellen selektiert werden. Da jedoch aufgrund der strukturellen Besonderheit dieser chromosomalen Region auch der Nachweis einer erfolgreichen Insertion mittels PCR-Amplifikation spezifischer Produkte extrem schwierig ist, konnte bislang nur die Einbringung des unteren DNA-Konstrukts in mehreren Zellklonen bestätigt werden. Ein wesentlicher Teil des Projekts besteht zudem darin, die erzeugten Kopienzahlvariationen auf 16p11.2 hinsichtlich ihres Effektes auf Funktion und Struktur von neuronalen Zellen zu untersuchen. Hierfür sollten modifizierte Stammzellen unter Verwendung von Reprogrammierungsmethoden, die im Gastlabor entwickelt wurden, direkt in funktionelle Neuronen umgewandelt werden. Da der Ansatz zur genetischen Veränderung der Kandidatenregion in human Stammzellen jedoch weitaus schwieriger und zeitaufwendiger war als angenommen, wurde parallel hierzu eine humane, zellbasierte Plattform zur vielseitigen Analyse veränderter neuronaler Aktivität entwickelt. Basierend auf den vorhanden Potokollen zur gezielten Herstellung von exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen, sowie der Weiterentwicklung von Methoden zur Ausreifung von Astrozyten aus humanen Stammzellen, wurde ein Kokultur-System auf Multielektroden-Arrays (MEAs) etabliert. MEAs bestehen im Wesentlichen aus einer Anordnung von Elektroden im Boden einer Zellkulturschale, die elektrische Feldpotentiale messen. Hierdurch kann eine Vielzahl informativer Parameter über die Aktivität von einzelnen Neuronen und neuronalen Netzwerken ermittelt werden, welche wiederum Aussagen über Veränderungen zellintrinsischer Eigenschaften sowie synaptischer Übertragungsprozesse zulassen. Für die Optimierung der Plattform wurden unter anderem verschiede Zelldichten und Verhältnisse der unterschiedlichen Zelltypen (exzitatorisch und inhibitorisch) getestet und die Formierung koordinierter Netzwerkaktivität, sowie die funktionelle Integration beider neuronaler Zelltypen untersucht. Mit einer Neuronendichte von ca. 200K pro cm2 und einem Verhältnis exzitatorischer zu inhibitorischen Zellen von 70/30 entwickelten die Kokulturen robuste Netzwerkaktivität innerhalb von drei Wochen, welche durch gezielte pharmakologische Intervention gegen Glutamatoder GABA-vermittelter Signalübertragung entsprechende Veränderungen zeigte. Die modifizierten Stammzelllinien mit induzierbaren Kopienzahlvariationen der 16p11.2 Kandidatenregion in Kombination mit der Generierung und Analyse von hoch-funktionalen neuronalen/glialen Kokulturen stellt somit einen Vielversprechenden Ansatz zur Untersuchung Neuropsychiatrischer Erkrankungen dar.

 
 

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