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Produktive Pathologien: Professionelle Patienten und die Kommodifizierung von Krankheiten in Ägypten
Antragsteller
Professor Dr. Hansjörg Dilger
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 272716263
Dieses Projekt untersucht das wachsende Phänomen der "professionellen Patienten" in Ägypten. Es beschreibt die Kommodifizierung von Krankheit und deren Einfluss auf die Medizinausbildung. Auf Grund zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit haben einige Patienten den „Biowert“ ihrer Krankheiten erkannt und vermarkten Wissen darüber an medizinischen Hochschulen. Die Ergebnisse der ersten Forschungsphase zeigen, dass den Patienten die Inwertsetzung ihrer Krankheit soziales und ökonomisches Kapital gibt. Durch diese Kommodifizierung erhalten die Patienten nicht nur ein Instrument zur Wiederherstellung ihrer sozialen Position, sondern auch zum aktiven Umgang mit und zur "Verwaltung" ihrer Krankheit. Die Ergebnisse zeigen, dass: 1) ethische Fragen durch Ärzte außer Acht gelassen werden. Assistenzärzte wiederum sehen sich gezwungen, mit professionellen Patienten zusammenzuarbeiten, weil ihre Vorgesetzten diese für die Lehre benötigen. 2) Dieses Phänomen ist das Ergebnis struktureller Gewalt in medizinischen Einrichtungen, die den Bedürfnissen ihrer "normalen" Patienten nicht gerecht werden, so dass diese nicht der Lehre zur Verfügung stehen, was dann wiederum den "Krankheitsmarkt" stärkt. Im Rahmen der Kommodifizierung von Krankheit wird diese zum Retter und Begleiter und Patienten "verwalten" ihre Krankheit derart, dass ihr soziales Wohl über dem individuell-körperlichen Wohlbefinden steht. 3) Die Vermarktung der Krankheit befähigt die Patienten, unabhängig zu werden, Armut zu überwinden und die Verantwortung für ihre Familien zu übernehmen. Dennoch haftet Krankheit immer ein Stigma an. Einige männliche Patienten verbergen daher ihre Aktivitäten als professionelle Patienten, während weibliche Patienten sie eher offen legen und Nachbarn für die gleiche Tätigkeit anwerben, um ihren Ruf zu schützen. 4) Biosozialitäten entstehen aus der Arbeit mit der Krankheit. Sie bieten ihren Mitgliedern ein Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft.Von diesen Ergebnissen ausgehend, soll in der nächsten Phase Krankheit als eine Form von "Widerstand im Alltag" untersucht werden (Scott 1985), im Rahmen dessen Gender eine wichtige Rolle spielt. So gehören die Patienten einer subtilen stillen Bewegung in Ägypten an, um Rechte dem Staat gegenüber zu beanspruchen und ihre Position innerhalb der Familie wieder herzustellen. Durch den Fokus auf Gender soll untersucht werden, wie: 1) Frauen an die Arbeit mit der Krankheit herangehen und eine Identität bezüglich der Krankheit annehmen mit der Intention, ihre Verwandten, die sie nach einer Scheidung oder dem Tod des Ehemannes vernachlässigen, zu beschämen. 2) Männer leisten stummen Widerstand gegen die Vernachlässigung des Staates, indem sie das "Recht auf Dienstleistungen" in medizinischen Einrichtungen durch Vermarktung der Krankheit beanspruchen, womit sie Zugang zu medizinischer Versorgung haben, die ihnen ansonsten verwehrt ist.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen