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Typologie und Theorie der Remotivierung

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 273128776
 
Das sprachliche Zeichen gilt als arbiträr. Lautliche Motiviertheit erkennt man nur Onomatopoetika zu, morphologische Motiviertheit nur Gebilden, die nach dem Kompositionalitätsprinzip gebaut sind. Remotivierung jedoch hat man auf das Kuriosum Volksetymologie eingeschränkt. In der Grammatikalisierungsforschung ist man sich darüber hinaus einig, dass Sprachwandel normalerweise in den Kanälen der semantischen Verblassung (Demotivierung) und der formalen Abnutzung (Desegmentierung) verläuft. Andere haben zwar versucht, auf umgekehrte Prozesse (Remotivierung, Resegmentierung) aufmerksam zu machen, doch wurde das mit Verweis auf das Unidirektionalitäts-Prinzip stets abgewehrt. Hier setzt das Projekt an. - (A) Es nimmt zwar nicht einfach Umkehrungen von Grammatikalisierung und Lexikalisierung an, aber gegengerichtete Kräfte sui generis, bei denen sprachliche Einheiten im formalen und semantischen Status angehoben, d.h. formal resegmentiert und inhaltlich remotiviert werden: Reanalyse in Form von Degrammatikalisierung und Delexikalisierung. Ausgehend von Volksetymologie (hamaca > Hänge-matte) sollen verwandte Erscheinungen parametrisiert und typisiert werden: Merkmalsreanalysen (Genus > Sexus), Affixsekretionen (sauber > kinderspr. saub-er, saub-st), De-Idiomatisierungen (fragwürdig *zweifelhaft* > *des Fragens würdig*) usw. - (B) Ein zweites Gebiet vernachlässigter Remotivierungen sind Pleonasmen. Auch deren Arten sollen parametrisiert und typisiert werden. Wird bei Degrammatikalisierung und Delexikalisierung konstruktioneller Ikonismus durch morphologische Sekretion hergestellt (engl. mine *prädikativ* > sl. mi-ne/your-n), so bei Pleonasmen durch semantische Sekretion, also Kopie von Semen des Lexems und ihre morphologische Auslagerung (optimal > optimal-st). - Die Remotivierungen unter (A) und (B) sind zeichengebunden. Doch sollen auch gebrauchsbedingte Remotivierungen von Zeichen einbezogen werden - (C) Eine Form davon ist Relokution. Sie tritt bei Fällen auf, die ihrer kontextbedingten Bedeutung beraubt und auf ihre kontextunabhängige Bedeutung reduziert werden (ER Hast du eine Uhr dran? *Wie spät ist es?* - SIE [scherzhaft] Ja). - (D) Eine andere Form ist Rekontextualisierung. Bei ihr werden umgekehrt Äußerungen aus dem Weltwissen semantisch aufgeladen, kontextunabhängige Bedeutungen mit kontextabhängigen angereichert (Gleichschaltung - als Nazi-Wort nicht mehr unschuldig verwendbar). - Alle genannten Prozesse lassen sich dem Dachkonzept der Remotivierung unterordnen. Ziel ist, der etablierten Erforschung von Prozessen der Demotivation die Erforschung dieser bisher vernachlässigten Prozesse der Remotivation entgegenzusetzen und zu klären, ob bzw. inwieweit die darunter subsumierten disparaten Phänomene gemeinsamen übergeordneten Prinzipien folgen. Es soll eine Typologie und Theorie der Remotivierung erarbeitet werden. Dabei soll gegen das dominierende Arbitraritäts-Postulat das Motiviertheits-Potential sprachlicher Einheiten herausgestellt werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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