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Medienfunktionen in beginnenden Transformationsprozessen - Eine Modellbildung durch einen Vergleich von Akteurskonstellationen und Strukturbedingungen in Ländern Osteuropas 1989 und Nordafrikas 2011

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 273811628
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, in einem zeit- und regionenübergreifenden Design zu analysieren, wie Medien dazu beitragen können, autoritär-politische Strukturen aufzubrechen und die Legitimität herrschender Regime ins Wanken zu bringen. Das Projekt schloss damit an die Transformationsforschung an, die bisher die Rolle von Medien nur punktuell und anhand einzelner Fallstudien untersucht hat oder diese systematisch vor allem nach den erfolgten Umbrüchen in den Blick nimmt. Im Projekt wurden zwei regionale Transformationswellen als Ausgangspunkt genommen – in der Region Osteuropa 1989 und in Nordafrika 2011 – und die Entwicklungen in jeweils drei Ländern dieser Regionen (Polen, Ungarn und Rumänien sowie Ägypten, Tunesien und Libyen) in den Jahren davor in den Blick genommen. Diese Länder wurden systematisch hinsichtlich einer relativen Vergleichbarkeit ausgewählt – sie sollten intraregional möglichst unterschiedliche Systembedingungen aufweisen, aber innerregional mit mindestens einem anderen Land der Vergleichsregion Ähnlichkeiten aufweisen, bspw. im Hinblick auf den Grad der Medienliberalisierung oder der Ausprägung der Zivilgesellschaft. Für jedes Land wurden mit Hilfe der Forschungsliteratur zwei transformationsrelevante Themen ausgewählt, die entweder die Input-Legitimität der Regimes (also die moralischen Pfeiler der Herrschaft) oder die Output-Legitimität (also die wohlfahrtsstaatlichen Pfeiler) infrage stellten. Es wurde nun inhaltsanalytisch untersucht, wie sich diese Themen entfalteten, also wie sie die Aufmerksamkeitsschwelle der Medien überschritten, wie der Zyklus der Aufmerksamkeit verlief und welche Argumentationsstrukturen und Semantiken zu erkennen waren. Diese Untersuchung erfolgte im Vergleich von zwei bis drei Medien pro Land, wobei diese Medien systematisch so ausgewählt wurden, dass eins ein regierungsnahes Medium repräsentierte, ein zweites in Privatbesitz oder einer mehr oder minder „oppositionellen“ Partei war und ggf. ein drittes, das zivilgesellschaftliche Kräfte wie die Kirche oder Bürger repräsentierte. Das zu beobachtende Wechselspiel zwischen den verschiedenen Medien und die Veränderung der Semantiken und Argumentationsstrukturen konnte bereits Aufschluss darüber geben, welchen Druck das jeweilige Thema durch die Zirkulation in den Medien auf die Regimes ausübte. Durch die Einbettung dieser Befunde in die außer-medialen Ereignisse in dieser Zeit sowie durch weitere Interviews mit den Medien- und politischen Akteuren konnten wesentliche Erkenntnisse über Medienfunktionen in Transformationsprozessen gewonnen werden. Themen, die die Output-Legitimation eines Regimes angreifen wie bspw. Streiks, sind deutlich präsenter und werden in stärkerem Maße responsiv in den regierungsnahen Medien behandelt, als Themen, die die Input-Legitimität in Frage stellen. Letztere Themen sind aber offensichtlich für die Regime heikler, da sie an den moralischen Grundfesten der herrschenden Ordnung rütteln. Damit diese Themen nicht verschwiegen werden und in die breite Öffentlichkeit gelangen können, braucht es Medienevents und durchsetzungsfähige Akteure. Dies war beispielsweise im Falle der willkürlichen Tötung durch Staatsorgane des polnischen Priesters Jerzy Popiełuszko und des ägyptischen Jugendlichen Khaled Said der Fall. In beiden Fällen haben diese Ereignisse eine große Medienresonanz ausgelöst, die die staatlichen Entscheidungsträger unter Zugzwang setzten. Nicht in allen untersuchten Ländern konnten aber derartige Befunde feststellt werden – die Art der Institutionalisierung von Massenmedien, die journalistische Professionalisierung und der Grad der Etablierung einer Zivilgesellschaft spielten eine entscheidende Rolle für die unterschiedliche Ausprägung von Medienfunktionen in Transformationsprozessen. Generell sind sowohl inner- als auch interregionale Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen und diese lassen sich auch in einem Zeitvergleich zwischen den 1980er und den 2000er-Jahren nicht per se auf technik-deterministische Erklärungen zurückführen, sondern benötigen eine multifaktorielle Erklärung, die das Projekt mit seinen verschiedenen Vergleichsstudien liefert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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