Der Umgang mit Stress in Raum und Zeit: Plastizität, Evolvierbarkeit und Ausbreitung in zeitlich und räumlich variablen Umwelten.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Alle Populationen bzw. alle Individuen sind im Verlauf ihres Lebens variablen Umweltbedingungen in Raum und Zeit ausgesetzt, z. B. weil Temperatur oder Niederschlag in der Zeit variieren und sich im Raum (in der Landschaft) ändern. Umweltvarianz kann dabei saisonal und rein zufällig sein, aber (zusätzlich) auch einem gerichteten Trend unterliegen, wie es z.B. beim derzeitigen Klimawandel der Fall ist. Wie Organismen mit derartiger Variabilität umgehen hat Ökologen und Evolutionsbiologen schon immer interessiert, aber diese Frage ist – angesichts des Klimawandels – heute auch von Bedeutung für Prognose wie auch für die Entwicklung von Managementoptionen, um Folgen von Klimawandel oder Landschaftsänderung zumindest abzumildern. Prinzipiell können Organismen auf variable Umweltbedingungen unterschiedlich reagieren – (i) sie passen sich an neue Bedingungen an, (ii) sie entwickeln eine (größere) Toleranz gegenüber variablen Bedingungen (Nischenerweiterung), oder (iii) sie bewegen sich im Raum („Dispersal“), um jeweils angemessenen Bedingungen zu finden. Im Rahmen unseres theorie-orientierten Projekts haben wir in einer Reihe von Simulationsstudien eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen – die wichtigsten sind dabei folgende Einsichten: (1) Wenn Umweltbedingungen einem Trend unterliegen, kann neben der direkten Anpassung auch eine Steigerung der Toleranz eine (vorübergehende) und/oder der Mutationsrate eine adaptive Reaktion sein. Je nach Kosten, die mit der Steigerung der Toleranz verbunden ist, kann eine Zunahme der Varianz dabei für das Überleben von Populationen eine gravierendere Rolle spielen, als ein allmählicher Trend. (2) Entgegen unserer Erwartung hat die Landschaftsstruktur und Häufigkeit eines Habitattyps keinen Einfluss auf die Evolution der Habitattoleranz; diese wird alleine durch die Größe der zeitlichen Varianz in den Umweltbedingungen beeinflusst. (3) Bei großer Ausbreitungsdistanz bzw. bei kleinskaliger Habitatheterogenität können Organismen, die an eher seltene bzw. extreme Habitatbedingungen angepasst sind, durch gesteigertes Dispersal einer Strategie der Risikostreuung folgen – in z.B. klimatisch außergewöhnlichen Jahren können sie gerade in Lebensräumen, die ihre Anforderungen normalerweise nicht erfüllen, dann adäquate Lebensbedingungen vorfinden - diese Option gibt es für Bewohner durchschnittlicher bzw. häufiger Habitate nicht. (4) Je nach Landschaftsstruktur können sich lokale Anpassungen im Dispersal entwickeln, die – insbesondere bei einer Transformation von natürlichen zu landwirtschaftlich genutzten Landschaften – zu einer stärkeren Isolation von Population führen können. (5) Habitat- bzw. fitness-abhängige Emigrationsstrategien könnten gerade in heterogenen Landschaften eine Rolle spielen, um die Effekte zeitlicher Variabilität in den Umweltbedingungen abzumildern. Insgesamt hat unser Projekt gezeigt, dass die Evolution von Nischenattributen, Mutationsraten und Dispersalstrategien auf komplexe Weise interagieren können und dass dabei die räumliche Struktur und Heterogenität von Landschaften eine große Rolle spielen können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- 2017. Evolving mutation rate advances the invasion speed of a sexual species. BMC Evolutionary Biology 17:150
Cobben, M. M. P., O. Mitesser, and A. Kubisch
(Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s12862-017-0998-8) - 2017. Transgenerational effects of mild heat in Arabidopsis thaliana show strong genotype specificity that is explained by climate at origin. New Phytologist 215:1221–123
Groot, M. P., A. Kubisch, N. J. Ouborg, J. Pagel, K. J. Schmid, P. Vergeer, and C. Lampei
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/nph.14642) - 2019. Environmental change and variability influence niche evolution of isolated natural populations. Regional Environmental Change
Sieger, C. S., M. M. P. Cobben, and T. Hovestadt
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10113-019-01534-3) - 2019. Latitudinal-diversity gradients can be shaped by biotic processes: new insights from an eco-evolutionary model. Ecography 42:259–271
Henriques‐Silva, R., A. Kubisch, and P. R. Peres‐Neto
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/ecog.03513) - (2020). The degree of spatial variation relative to temporal variation influences evolution of dispersal. Oikos
Sieger, C., and T. Hovestadt
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/oik.07567)