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Profis der Prognose? Marktforschung als Grundlage unternehmerischer Erwartungsbildung in Deutschland und den USA nach 1945

Fachliche Zuordnung Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 275312023
 
Das Projekt beleuchtet die Genese der Marktforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es untersucht sowohl die Entwicklung von Methoden der Prognose als auch deren praktische Anwendung im unternehmerischen Entscheidungsprozess historisch-empirisch. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die Grundlagen ökonomischen Handelns veränderten, als professionelle Experten seit den 1950er Jahren ein wachsendes Angebot neuartiger Informationsgüter offerierten. Die Hypothese lautet, dass sich im Unternehmen eigene adaptive Erwartungen zunehmend mit externen Marktwahrnehmungen vermischten, was zu einer Neumodellierung zuvor oft intuitiver Strategiekonzepte führte. Obwohl deutlich ist, dass sich Marktforschung erst nach 1945 als strategisches Instrument des Marketingmanagements fest etablierte, hat sich die Forschung dieser Entwicklung bislang nicht angenommen. Um diese Lücke zu schließen, ergründet das Projekt den Aufstieg von kommerziellen Marktforschungsinstituten zu Informationsdienstleistern sowie die parallele Institutionalisierung entsprechender innerbetrieblicher Ressorts für die 1950er bis 1980er Jahre. Als Untersuchungsobjekte dienen Konsumgüterproduzenten und ihre Beratungsagenturen in Deutschland und den USA. Die vergleichende Fallstudienanalyse will zeitliche, räumliche und qualitative Differenzen im Adaptionsprozess aufdecken und die gängige These einer "Amerikanisierung" des Managements problematisieren. Das Projekt bewegt sich an den Schnittstellen der im Schwerpunktprogramm festgelegten Themenfelder "Expertise", "Unternehmen" und "Konsum". Es beabsichtigt erstens, die Dynamiken in der Entwicklung eines (globalen) Marktes für ökonomische Prognosen nachzuzeichnen und die Kommodifizierung von Marktinformationen theoretisch zu reflektieren. Zweitens analysiert das Projekt die Diffusion umfragegestützter Erhebungsdesigns und qualitativer Marktmodelle von der Wissenschaft in die unternehmerische Praxis. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf das Spannungsfeld zwischen objektiver Wissenschaftlichkeit und profitorientierter Kommerzialisierung gelegt. Drittens schließt sich hieran die Kernfrage an, wie so gewonnene Informationsgüter in Unternehmen operationalisiert und zu Handlungskonzepten verarbeitet wurden. Anhand umfangreichen empirischen Quellenmaterials zeigt das Projekt auf der Mikroebene, wie etablierte Prozesse der subjektiven Erfahrungs- und Erwartungsbildung von Unternehmen durch scheinbar objektivierte, aber auch standardisierte Prognosemodelle entwertet, ergänzt oder gänzlich substituiert wurden. Der Vergleich erlaubt, unterschiedliche Geschwindigkeiten und Intensitäten dieser Prozesse aufzuzeigen und mögliche wirtschaftskulturelle Eigenarten des Informationsmanagements freizulegen. Vor dem Hintergrund wechselnder ökonomischer Handlungskontexte kann zudem analysiert werden, ob sich unternehmerische Erwartung eher im Rahmen sequentiellen Lernens oder eines situativen Krisenmanagements wandelten.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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