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Limited by Myopia? Ökonomische Ungewissheit und die internationale Regulierung öffentlicher Auslandsverschuldung in Krisenzeiten (1970-1997)
Antragstellerin
Professorin Dr. Julia Laura Rischbieter
Fachliche Zuordnung
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung
Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 275367566
In ökonomischen Krisen kommt es immer wieder zu zukunftsweisenden Entscheidungssituationen. Die Entscheidung, Lehman Brothers im September 2008 nicht zu retten, gilt heute als der Beginn einer internationalen Vertrauenskrise in der Finanzindustrie. Im Rückblick erscheint das Handeln der Zeitgenossen als kurzsichtig. Doch wieso hatten die Verantwortlichen offensichtlich ganz andere Konsequenzen ihrer Entscheidung erwartet?Die Frage, wie Prämissen über ökonomische Ungewissheit entstehen und als Erwartungen an die Zukunft in Entscheidungen einfließen, untersucht das Projekt aus der Perspektive Internationaler Finanzorganisationen (IFO) und ihrem Umgang mit Auslandsverschuldungskrisen. 58 Mal meldeten zwischen dem Ende von Bretton-Woods und der Asienkrise im Jahr 1997 Staaten ihre Zahlungsunfähigkeit an. Die Mehrheit dieser Schuldenkrisen mündete in Krisen des Banken-, Währungs- und Finanzsystems der jeweiligen Länder. Manche wurden zu internationalen Finanzkrisen. In ihrer Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz (IMF und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich), als Vermittler in Umschuldungen (Paris Club), als durchsetzungsstarker Normengeber (Group of 30) sowie als Interessenvertreter der kommerziellen Banken (Institut for International Finance), spielten IFO eine entscheidende Rolle in Verschuldungskrisen. Dieses Projektdesign erlaubt daher nicht nur, einzelne Entscheidungen als singuläre Ereignisse zu analysieren, sondern den historischen Wandel in der Erwartungsbildung der Akteure zu untersuchen.Drei Ziele verfolgt das Projekt: Erstens untersucht das Vorhaben, welches Wissen die IFO bildeten, um ökonomischer Ungewissheit zu begegnen. Aus welchen Gründen flossen welche Informationen in potentielle Krisenszenarien ein? Ob hierbei dominierende Narrative existierten, die Krisen evozierten oder es gar verhinderten, Risiken zu erkennen, wird zweitens analysiert. Drittens wendet sich das Projekt der Frage zu, inwiefern in der Krisensituation die Expertise in Entscheidungen einfloss, oder, ob die Krise nicht die Erwartungsbildung selbst dergestalt veränderte, dass die bisher gemachten Erfahrungen umgedeutet wurden. Indem das Projekt diese drei Themenfelder systematisch anhand der IFO als Akteursgruppe untersucht, verspricht es neue Erkenntnisse über die Mechanismen, Leistungen und Fehleinschätzungen des Umgangs mit volatilen Entwicklungen auf Finanzmärkten, jenseits der bekannten Ereignisgeschichte. Die theoretische Grundlage bilden wirtschaftssoziologische, hermeneutische und erfahrungsgeschichtliche Ansätze, die Aufschluss über das Verhältnis von Erwartungsbildungsprozessen, Krisen und sozialem Lernen geben. Methodisch folgt das Vorhaben einem Konzept, das mittels Fallstudien zu Schuldenkrisen langfristige Entwicklungszusammenhänge oder Brüche in der Erwartungsbildung aufzeigen und erklären soll. Empirisch beruht es auf Archivquellen, fachwissenschaftlichen Zeitungen und Studien aus dem Untersuchungszeitraum.
DFG-Verfahren
Schwerpunktprogramme