Untersuchung des Verhaltens von Kalk-Natron-Silikatglas unter schwingender Belastung mit dem Ziel der Identifikation von Wöhler-Linien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bauteile, die zeitlich veränderlichen und periodisch wiederkehrenden Lasten ausgesetzt sind, müssen häufig auch hinsichtlich ihres Ermüdungsverhaltens eingestuft und bemessen werden. Im Glasbau fehlen hierzu noch Grundlagen auf der Widerstandsseite, da das zyklische Ermüdungsverhalten von Glas für Anwendungen und Einwirkungen im Bauwesen im Unterschied zum statischen Ermüdungsverhalten bisher wenig untersucht ist. Aus diesen Gründen war das Ziel des Forschungsvorhabens, das Verhalten von thermisch entspanntem Kalk-Natron-Silikatglas und thermisch vorgespanntem Kalk-Natron-Silikatglas bei zyklischer Beanspruchung experimentell zu belegen, die wesentlichen Einflussparameter zu quantifizieren und mögliche Ursachen für die Ermüdung zu finden. Hierzu wurden Dauerschwingversuche mit Probekörpern aus Floatglas und Einscheibensicherheitsglas (ESG) vorgenommen. Bei einem Großteil der Versuche wurden die Probekörper zur Minimierung der Streuung definiert vorgeschädigt. Mit den experimentellen Untersuchungen wurde die Dauerschwingfestigkeit von thermisch entspanntem Kalk-Natron-Silikatglas und von thermisch vorgespanntem Kalk-Natron-Silikatglas bestimmt. Die Ergebnisse (Wöhlerlinien) zeigen, dass die Festigkeit unter zyklischer Belastung stark abnimmt und periodisch wiederkehrende Belastungen bei der Bemessung von Bauteilen aus Glas damit einen großen Einfluss auf die Lebensdauer und die maximal aufnehmbare Zugspannung haben. Aufgrund der thermisch eingeprägten Eigenspannung fällt der Einfluss der Schwingfestigkeit bezogen auf die quasi-statische Biegezugfestigkeit für ESG wesentlich geringer aus, als für Floatglas. Es konnten keine Veränderungen der Materialeigenschaften (E-Modul) der Probekörper bei und nach den Dauerschwingversuchen nachgewiesen werden und entsprechend das subkritische Risswachstum als maßgebliche Ursache der zyklischen Ermüdung ausgemacht werden. Als größter Einflussparameter auf die Lebensdauer bei schwingender Beanspruchung konnte die Umgebungsfeuchte nachgewiesen werden. Wie bei statischen Versuchen fällt auch hier die Lebensdauer mit zunehmender Umgebungsfeuchte geringer aus. Bei Versuchen mit verschiedenen Frequenzen zwischen 0,01 bis 15 Hz konnte kein Einfluss auf die Lebensdauer bei schwingender Belastung festgestellt werden. Genauso wie die Ergebnisse bei Versuchen zum Belastungstyp und der Belastungsfunktion, stimmen die Ergebnisse zum Einfluss der Frequenz und der Umgebungsfeuchte mit der Theorie, dass bei gleicher Oberspannung mit zunehmender Fläche unter der effektiven Spannungsfunktion die Lebensdauer abnimmt, überein. Dies deutet daraufhin, dass zumindest im untersuchten Frequenzbereich sowohl bei thermisch entspannten, als auch bei thermisch vorgespanntem Kalk-Natron-Silikatglas keine oder höchstens geringe spezifische zyklische Ermüdungseffekte auftreten, die sich nicht dem subkritischen Risswachstum bei statischer Belastung erklären lassen. Die Ergebnisse der Dauerschwingversuche wurden mit analytischen und numerisch simulierten Prognosefunktionen für die Lebensdauer angepasst und verglichen. Hiermit konnte gezeigt werden, dass sich die Lebensdauer unter schwingender Beanspruchung gut prognostizieren lässt, der Risswachstumsexponent N unter zyklischer Belastung jedoch tendenziell etwas geringer ausfällt, als der bei statischen Versuchen ermittelte Risswachstumsexponent N bzw. die gemessene Lebensdauer etwas geringer ausfällt als theoretisch erwartet (bezogen auf N: 3% für Floatglas; 10% für ESG). Hiermit konnten die wesentlichen Fragen und Zielstellungen des Vorhabens bearbeitet werden. Die gewonnen Erkenntnisse können unter anderem für ein Bemessungskonzept und die wirtschaftliche Auslegung von periodisch belasteten Glasscheiben im konstruktiven Glasbau verwendet werden. In der Praxis treten zwischen den periodischen Belastungen Zeitspannen ohne oder nur mit geringer Belastung auf, in denen mit Rissheilungseffekten zu rechnen ist. Um von der Schwingfestigkeit auf die Betriebsfestigkeit zu schließen, sind weitere Untersuchungen nötig, die etwaige Rissheilungseffekte quantifizieren. Genauso wäre es infolge des zunehmenden Einsatzes von chemisch vorgespanntem Glas für Smartphones, Tablet-PCs sowie Dünngläsern und leichten Sandwichelementen im konstruktiven Glasbau von Bedeutung, das zyklische Ermüdungsverhalten von chemisch vorgespannten Gläsern experimentell zu untersuchen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Ermüdungsverhalten von Glasscheiben unter schwingender Beanspruchung. VDI-Berichte 1933 189–198 (2006)
Wörner, J.-D. & Boxheimer, K.
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Untersuchungen zum Ermüdungsverhalten von gezielt vorgeschädigtem Floatglas aus Kalk‐Natron‐Silikatglas bei zyklischer Belastung. Glasbau 2013 247–263 (2013)
Hilcken, J., Boxheimer, K., Schneider, J. & Wörner, J.-D.