Detailseite
Projekt Druckansicht

Intime Bilder. Die Geschichte kunsthistorischer Radiographie

Antragstellerin Dr. Uta Kornmeier
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 275739131
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt rekonstruiert die Geschichte der radiologischen Untersuchung von Gemälden von 1895 bis ca. 1950 und stellt sie in vier Stationen dar: Die Entdeckung der Röntgenstrahlung und ihrer Eigenschaften in Bezug auf Malfarben; die experimentelle Anwendung der Röntgenstrahlen auf Gemälde; die systematisch-wissenschaftliche Untersuchung der physikalischen Vorgänge bei der Durchleuchtung von Gemälden; und das Ringen um die Bedeutung der resultierenden Bilder. Dabei konnte nicht nur das älteste noch erhaltene Röntgenbild eines Gemäldes (1897) identifiziert werden, sondern auch neue Erkenntnisse über die zentralen Protagonisten, allen voran Alexander Faber, Alan Borroughs und Kurt Wehlte, erarbeitet sowie die Geschichte der radiologischen Untersuchung von Gemälden umfassend dargestellt werden. Die These des Projektes war, dass die Einführung von radiografischen Untersuchungsmethoden einen epistemischen Wandel in der kunsthistorischen Deutungspraxis ausgelöst hat. Während die Kunstgeschichtsschreibung sich um 1900 stark auf die Bildoberfläche und der daraus ablesbaren Ikonografie und Ikonologie beschäftigte, wurde unter dem Eindruck der Röntgenbilder, die Ansichten aus dem Inneren des „Bildkörpers“ lieferten, eine Veränderung der kunsthistorischen Fragestellungen auf die materielle Beschaffenheit des Kunstwerkes hin erwartet. Die Recherche ergab jedoch, dass sich ein solcher epistemischer Wandel in der Kunstgeschichte bis ca. 1940 nicht abzeichnet. Vielmehr ergab sich ein Bild der Kunstgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als einer Disziplin mit stark ausdifferenzierten und institutionell unterschiedlich verankerten Branchen, in denen die Bilder ganz unterschiedlichen Einfluss hatten: Während sich das Auftreten der Röntgenbilder in der akademischen Kunstgeschichte kaum ablesen lässt, unterstützte die neue Technologie die Emanzipation und Professionalisierung der Restaurierungsberufe in den Museen sowie die Ausbildung des neuen intellektuellen Spezialgebietes der „technischen Kunstgeschichte“. Diese Entwicklungen hatten ihren Ursprung bereits vor der Entdeckung der Röntgenstrahlen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie befördert z.B. durch die Sorge um die Haltbarkeit von industriellen Ölfarben und die zunehmenden chemischen Untersuchungen derselben. Die Nutzung von Röntgenbildern bei der Argumentation um Alter und Echtheit von Gemälden – wie bei den von der Öffentlichkeit breit rezipierten Gerichtsprozessen um ein Frans-Hals-Gemälde (1921), ein Leonardo-da-Vinci-Gemälde (1920-1930) und mehrere Gemälde von Vincent van Gogh (1932 und 1933) – machte jedoch die bisher unterschätzte Rolle von Restauratoren und wissenschaftlich-technischen Kunstexperten in Fragen der Kunst populär.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „‘It was the hand that did it.‘ Frühe Röntgenbilder als Bildgebung mit offenem Ausgang. Rezension von Vera Dünkel, Röntgenblick und Schattenbild“, Visual History. Online-Nachschlagewerk für die historische Bildforschung, 22.05.2018
    Kornmeier, Uta
    (Siehe online unter https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1623)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung