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Habilitationsschrift "Zirkulierende Leidenschaften: Emotionswissen und Emotionspraktiken im chinesichen Kontext des 17. Jahrhunderts"

Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 275742991
 
In literarischen Werken des 17. Jahrhundert figurieren Gefühle, Leidenschaften und Liebe (qing) - ganz im Gegensatz zum herrschenden Verhaltenskodex, wonach Gefühle möglichst nicht manifestiert werden sollten - als natürlicher und notwendiger Ausdruck menschlichen Seins. Die Forschung spricht hier vom "Kult der Emotionen" und konnotiert diesen mit einer "romantischen" Bewegung, die im westlichen Kontext für die Emanzipation durch Gefühle und für Subjektivismus steht. Auch wenn sich dieser Vergleich mit der europäischen Aufklärung anbietet, verrät er nichts über die Emotionspraktiken dieser Zeit in China. Wollen wir wissen, was die Menschen jener Zeit von den Gefühlen wussten, wie sie Gefühle lebten und zeigten, bedarf es zuallererst der Ausarbeitung eines methodologischen Instrumentariums, um die verschiedenen Wissensräume - literarische, juridische, philosophische und medizinische - als textuelle Archive zu erschließen. Erst dann kann die Beschreibung und Analyse von Emotionen in überprüfbare Daten überführt und vergleichsweise transparent gemacht werden. Die vorliegende historische Studie zu Emotionswissen und -praktiken im 17. Jahrhundert will als maßgeblicher Baustein zur Etablierung der Emotionen als abgegrenztes Forschungsfeld in der chinesischen Geschichte beitragen. Sie erschließt und analysiert, bis dato im westlichen Kontext unzugängliches Quellenmaterial und stellt damit Grundlagenmaterial zur Verfügung. Sie fokussiert, neben den Zeugnissen zum "Kult der Emotionen", die Umbrüche und Kontingenzerfahrungen dieser Zeit, den als traumatisch wahrgenommenen politischen Dynastiewechsel, der einhergeht mit jahrzehntelangen Bedrohungen durch marodierende Soldaten und Banditen, sowie die Epidemien, Seuchen und den Hunger, der auf ungewöhnliche Kälteperioden folgte. Diese Seins- und Notlagen kommen in medizinischen Primärtexten dieser Periode ausgiebig zur Sprache. Auf der Grundlage eines acht Werke umfassenden medizinischen Textkorpus, das bislang in keiner westlichen Sprache verfügbar ist, rekonstruiert die Monographie die soziale Beschaffenheit von Emotionen im gegebenen Zeit-Raum. Die dichten Beschreibungen und systematischen Darlegungen von Diagnose- und Therapievorschriften bei unterschiedlichen Krisensituationen enthalten vielfache Verweise auf Gefühlswelten wie Schmerz, Wut, Enttäuschung und Trauer, aber auch Freude und Glück. Der Titel "Zirkulierende Leidenschaften" verweist auf die mit dem Kult der Emotionen einhergehende Glorifizierung der Gefühle und gleichzeitig auf die durch die politischen und sozialen Instabilitäten erfahrenen Nöte und Leiden. Darüber hinaus deutet der Titel auf den in den untersuchten medizinischen Texten zutage tretenden leidenschaftlichen Einsatz für die "Errettung der Menschheit" von Krankheit und Leid. Die Leidenschaft erscheint hier als unbedingte Hingabe und Verpflichtung vonseiten der Ärzte.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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