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Der Meister des Tucher-Retabels. Die Loslösung eines süddeutschen Malers vom Schönen Stil. Künstlerindividualität und Stilwahl im 15. Jahrhundert.

Antragsteller Dr. Björn Statnik
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2006 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27603174
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Meister des Tucher-Retabels darf neben Hans Pleydenwurff wohl als der bedeutendste Nürnberger Maler vor Dürer gelten, dennoch gelangte die Kunstgeschichtsforschung bislang zu keinem überzeugenden und allgemein anerkannten Bild von Person, Werkstatt und Werk. Mittels eines umsichtigen Einsatzes der Stilkritik und unter Verwendung moderner kunsttechnologischer Untersuchungsmethoden, wie der Infrarot-Reflektographie, konnte nun endlich das Œuvre dieses Künstlers exakt eingegrenzt werden. Dabei musste festgestellt werden, dass dieser Maler nicht – wie meist behauptet – aus der Nürnberger Tradition hervorging. Vielmehr konnte aufgezeigt werden, dass er seine Lehre in der österreichischen Malerschule des Meisters der St. Lambrechter Votiv-Tafel erfahren hat. Vereinzelte, nürnbergische Stilelemente konnten hingegen durch die Beteiligung von Gesellen erklärt werden, die ihre Schulung in Nürnberg erhalten hatten. Diese Händescheidung zwischen dem Meister und seinen Mitarbeitern machte auch Stil-Varianzen innerhalb des Gesamtwerks des Malers verständlich. Doch zeigte sich auch, dass sich der Künstler im Laufe seines Schaffens sehr aufgeschlossen für neue und andersgeartete Kunstentwicklungen zeigte und dadurch sein Individual- und Werkstattstil einem sehr schnellen Wandel unterworfen war. So rezipierte er früh Jacopo Bellini und die italianisierende Kunst des Worcester-Meisters. Teilweise ließen sich auch Reflexe auf die Florentiner Frührenaissance erkennen. Dann fand die frühniederländische Malerei mit ihrem genrehaften Detailrealismus sein Interesse; und schließlich kam es zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der deutlich älteren Kunst des Giotto-Kreises. Diese Einflüsse verband der Tucher-Meister im Laufe seiner Schaffenszeit zu einer sehr eigenen Formensprache. Doch blieb er sich deren Ursprüngen stets bewusst, da er sehr überlegt einzelne von diesen auch betonen oder zurücknehmen konnte, um dadurch die intendierte Aussage des jeweiligen Werkes deutlicher herauszuarbeiten. Er nutzte diese verschiedenen Einflüsse also auch zur Erweiterung der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten, was zusätzlich seine „Stil-Variabilität“ erklärt, die die Forschung bislang verwirrte. Gleichzeitig konnte dieses große Interesse an anderen und neuen Kunstwerken auch dahingehend gedeutet werden, dass der Tucher-Meister deren besondere Qualitäten erkannte und nicht mehr als Handwerksprodukte, sondern als Kunstwerke anerkannte. In letzter Konsequenz bedeutet dies aber auch, dass er ebenso seine eigenen Arbeiten als künstlerische Äußerungen ansah. Archivalische Untersuchungen erbrachten schließlich gewichtige Indizien, dass es sich bei diesem höchst ungewöhnlichen Künstler des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts um den zwischen 1427 und 1447 in Nürnberg bezeugten Maler Otto Voss handelt.

 
 

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