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TCSN: Kontrollbedrohung und soziale Normen: Konformität, Wandel oder Neubildung.

Antragsteller Professor Dr. Immo Fritsche, seit 9/2018
Fachliche Zuordnung Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 277139596
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Wahrgenommene Bedrohung erhöht die Tendenz von Menschen sich mit Gruppen zu identifizieren und ihr Denken und Handeln in Übereinstimmung mit den sozialen Normen eigener Gruppen zu bringen. Im vorliegenden Projekt interessierten wir uns für kognitiv-motivationalen Prozesse, welche diese Effekte erklären können. Auf Grundlage der Theorie Gruppenbasierter Kontrolle nahmen wir an, dass Menschen gruppenbasiert handeln, also im Einklang mit den wahrgenommenen Normen der eigenen Gruppe, um subjektive Kontrollwahrnehmungen durch ihr (soziales) Selbst wiederherzustellen, wenn diese bedroht sind. Hierzu ist es für Gruppenmitglieder jedoch wichtig zu wissen, welches die Verhaltensnorm ihrer Gruppe in einer bestimmten Situation ist. Wir nahmen an, dass sich dies in einer erhöhten Vigilanz für die akkurate Erkennung von Eigengruppennormen nach Kontrollbedrohung niederschlägt. Außerdem interessierten wir uns im Projekt für den Effekt von Kontrollbedrohung auf den Umgang mit sozialer Abweichung und auf die Bildung neuer Gruppennormen, wenn bestehende Normen mit mangelnder Handlungsfähigkeit der Gruppe verbunden sind (beispielsweise politische Agenden, die sich als untauglich für die Bewältigung aktueller kollektiver Probleme erwiesen haben). Schließlich wollten wir die mögliche kausal vermittelnde Rolle der Normvigilanz für die letztgenannten Phänomene untersuchen. In umfänglichen experimentellen Tests konnten wir jedoch keine konsistente Evidenz für die grundlegende kognitive Prozessannahme finden, dass Gruppenmitglieder unter Bedrohung Eigengruppennormen akkurater wahrnehmen. Auch unsere angepasste Annahme, dass Bedrohung stattdessen zu einer schnelleren Hypothesenbildung über – und der verzerrten Wahrnehmung von – Gruppennormen führt („Hypothese normativer Geschlossenheit“) konnten wir nicht überzeugend bestätigen. Dies sollte eine wertvolle Grundlage für die zukünftige Entwicklung fruchtbarer Forschungshypothesen und -paradigmen zu den kognitiven Grundlagen von Bedrohungseffekten auf Sozialverhalten darstellen und Fehlschläge vermeiden helfen. In weiteren Studien haben wir den grundlegenden Mechanismus von Kontrollwiederherstellung durch Gruppenhandeln untersucht. Hierbei zeigte sich, dass Gruppenmitglieder deren persönliche Kontrolle bedroht war, wie erwartet dann höhere (kollektive) Kontrolle wahrnahmen, wenn sie an ihre Zugehörigkeit zur Gruppe und eigenes normkonformes Handeln erinnert wurden. Außerdem fanden wir in Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern empirische Hinweise darauf, dass – wie angenommen – Menschen nur solche Gruppennormen zu gruppenbasierter Kontrolle nutzen, die nicht mit mangelnder situativer Handlungsfähigkeit der Gruppe assoziiert sind. So führte Kontrollbedrohung zur reduzierten Präferenz für traditionelle, politisch konservative Mehrheitsparteien, wenn Bürgerinnen oder Bürger an die mangelnde Handlungsfähgikeit ihres Landes erinnert wurden. Außerdem fanden wir im Rahmen eines konditional zur Veröffentlichung angenommenen Präregistrierten Forschungsberichts Hinweise, dass Menschen nur solche Gruppen zur Kontrollrestauration nutzen, deren Normen ihren situativen Handlungszielen entsprechen. Kollektives Denken und Handeln als Reaktion auf Bedrohung ist ein robustes empirisches Phänomen, das häufig zur Erklärung alltäglicher und politischer Phänomene herangezogen wird, wie beispielsweise politische oder religiöse Radikalisierung in Krisenzeiten. Die Projektergebnisse tragen nicht nur zur Erklärung der unterliegenden motivationalen und kognitiven Prozesse bei, sondern auch zur Entwicklung möglicher Interventionen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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