'Modernisierungserfahrung' und Psychiatrie in globaler Perspektive im 19. und 20. Jahrhundert
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt fragte nach den globalen Verhandlungen von ‚Modernitäts-’ und ‚Modernisierungskonzepten’ in ethnologischem, psychologischem und psychiatrischem Wissen zwischen Europa und Regionen des ‚Globalen Südens’ im 19. und 20. Jahrhundert. Hierfür wurden Schwerpunkte in Afrika südlich der Sahra gesetzt. Es wurden die Geschichte von Diskursen und Praktiken untersucht, die sich auf die historische Vorstellung beziehen, dass sogenannte ‚primitive’ Menschen in den Tropen und Subtropen durch Erfahrungen von ‚Modernisierung’ besonders tiefgreifend traumatisiert und psychisch krank würden und dass man – so zahlreiche Ethnolog/innen oder Psychiater/innen der Zeit – hieraus auch Rückschlüsse auf europäische psychiatrische Zivilisationskrankheiten und deren Therapie ziehen könnte. Das Projekt war in drei Unterprojekte aufgeteilt: Erstens eine Monographie zur Verflechtungsgeschichte von Regionen in Afrika südlich der Sahara und Europas in diesem Zusammenhang für den Zeitraum 1850-1980, zweitens ein Workshop zur Geschichte von ‚Modernisierungserfahrung’ und Psychiatrie in globalen Zusammenhängen, der vom 07.11. – 08.11.2018 an der RUG Groningen stattfand, und drittens ein entsprechender Sammelband. Der Sammelband, der aus überarbeiteten Beiträgen des Workshops und weiteren Beiträgen besteht, wird unter dem Titel „Psychiatric Countours. New African Histories of Madness“, gemeinsam herausgegeben mit Nancy Rose Hunt, in der renommierten Reihe ‚Theory in Forms’ des Duke- Verlag Durham, USA, im Mai 2024 erscheinen. Insgesamt war es Ziel des Projekts, neue Beiträge zur Global- und Verflechtungsgeschichte von psychiatrischen Diskursen und Praktiken in Verbindung mit zeitgenössischen Auseinandersetzungen über die Auswirkungen von ‚Moderne’ vorzulegen. Mehr als in bislang vorliegenden Forschungen sollten scheinbar humanitäre reformpsychiatrische Ansätze in den Tropen und Subtropen während des 19. und 20. Jahrhunderts untersucht werden. Dabei sollten die Wahrnehmungen und Erfahrungen möglichst aller Beteiligten sowie Prozesse der globalen Zirkulation von Wissen analysiert werden. Es wurde gefragt, wie normative Setzungen globaler ‚Moderne’ und Konzepte von psychischer ‚Krankheit’ und ‚Wahnsinn’ im Untersuchungszeitraum in Frage gestellt, lokal verhandelt und pluralisiert wurden, wobei Stereotypen, die Festlegung von Andersartigkeit, soziale In- und Exklusion, psychische und physische Gewalt eine wichtige Rolle spielten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
"Die Moderne macht sie geisteskrank!". Geschichte und Gesellschaft, 41(4), 685-717.
Büschel, Hubertus
-
2021. Der Rorschach-Test reist um die Welt: Globalgeschichten aus der Ethnopsychoanalyse, Wien, Berlin
Büschel, Hubertus
-
Die Lüge vom ‚guten‘ Kolonialismus und Jean-Pierres Trauma. Historische Anthropologie, 30(1), 12-32.
Büschel, Hubertus
-
3 Mr. Tanka and Voices. A Cameroonian Patient Writing about Schizophrenia. Psychiatric Contours, 93-132.
Büschel, Hubertus
-
Coda. On the Importance of Suffering. Psychiatric Contours, 311-324.
Büschel, Hubertus
-
Psychiatric Contours.
Hunt, Nancy Rose & Büschel, Hubertus (Eds.)
