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Eine emotionstheoretisch fokussierte und aktualisierte Analyse des Erfahrungs- und Handlungsbegriffs im klassischen Pragmatismus bei John Dewey und Charles S. Peirce (im Interesse einer Klärung normativer Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung)

Antragstellerin Dr. Mara-Daria Cojocaru
Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 277447342
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Zweifel hat in der Philosophiegeschichte eine lange und ehrwürdige Tradition. Bei aller internen Verschiedenheit zählt es zu den Kennzeichen des philosophischen Pragmatismus, sich gegenüber dieser Tradition neu zu positionieren mit einer Qualifizierung des Zweifels als einem erkenntnistheoretisch belastbaren weil affektiven Element der Erfahrung im Rahmen eines Programms, das sich generell kritisch gegenüber der cartesischen Tradition versteht. Der Zweifel als affektive Reaktion auf echte Probleme wirft die Frage auf, wie genau die zugrunde liegende Emotionstheorie zu verstehen ist und welche anderen affektiven Zustände wichtig sind, wenn wir Probleme richtig verstehen und auf den Weg einer Lösung bringen wollen. Mein Projekt zur emotionstheoretischen Rekonstruktion des Erfahrungsbegriffes im klassischen Pragmatismus hat daher eine wichtige Gemeinsamkeit bei Peirce und Dewey betont und weiterentwickelt, die pragmatistische Ideen anschlussfähig macht an zeitgenössische Debatten in der Philosophie der Emotionen und in der Erkenntnistheorie. Diese Gemeinsamkeit besteht darin, dass affektive Zustände wie etwa Zweifel aber auch stärker wertorientierte Emotionen wie etwa Wut als zentraler Bestandteil von Forschung ernst zu nehmen und im Falle gelungener Regulation als quasi Tugenden zu verstehen sind. Mir erscheint dieser Umstand als besonders aufschlussreich für Probleme, deren Wahrnehmung und Diskussion typischerweise geprägt sind von starken Emotionen, wie es im Bereich der Mensch-Tier-Beziehung in besonderer Weise der Fall ist. Mit meiner Arbeit habe ich die emotions- und erkenntnistheoretischen Grundlagen geschaffen, damit diese Probleme so diskutiert werden können, dass, ohne den Eindruck der Beliebigkeit zu erwecken, experimentell und im Sinne eines kritischen Common Sense Denkens lösungsorientiert auf den erreichten Forschungsstand in der Tierethik zurückgegriffen werden kann, um ihn in Richtung auf Politik, Recht, Pädagogik und die übrigen gesellschaftlichen Praktiken weiterzuentwickeln. Einen der wichtigsten Fortschritte sehe ich darin, an die zeichentheoretische Dimension bei Peirce für affektive Zustände anschließen zu können. Daraus folgt, dass affektive Zustände nicht einfach bedeuten, was sie nahelegen, sondern interpretationsbedürftig sind, dies mit Rekurs auf einen gemeinschaftlichen Rahmen. Das hat für moralpragmatische Überlegungen ganz generell eine große Bedeutung; für Tierethik und mehr noch für Tierpolitik zeigt sich im Besonderen, dass wir lernen müssen, Wut (und jeden anderen affektiven Zustand) nicht als „subjektive“ Äußerung, die für rationale Diskurse nichts austrägt, zu verstehen, sondern als These und Handlungsvorschlag, die insofern Objektivität in der Deutung anstreben als der Gemeinschaftsbezug und der Bezug auf eine klar benennbare Situation für pragmatistische Emotionstheorien ausschlaggebend sind und die epistemische Belastbarkeit der jeweiligen emotionalen Erfahrung entscheiden. Hierdurch erhoffe ich mir, dass eine pragmatistische Perspektive Angebote immer dann zu leisten vermag, wenn sich Erfahrungen aufgrund ihres emotionalen Charakters als besonders resistent gegenüber Verbesserungsvorschlägen aus sozusagen rein theoretischer Perspektive erweisen. Ein Hindernis auf dem Weg dorthin mag darin bestehen, dass diese Angebote nicht ohne Widerstände, resultierend aus den je eigenen blinden Flecken nicht zuletzt auch der philosophischen Forschung und des akademischen Betriebes, angenommen werden. Insofern es in der Tradition des klassischen Pragmatismus letztlich aber um eine greifbare Verbesserung der Erfahrung hin auf Charakterwachstum beziehungsweise auf den Zuwachs konkreter Vernünftigkeit geht, halte ich mich an das pragmatistische Prinzip Hoffnung: auf eine gewisse gedankliche Offenheit und Freude am (auch genuin philosophischen) Experiment, insbesondere dort, wo die gegenwärtigen Mensch-Tier-Beziehungen zu Recht und in hohem Maße zweifelhaft geworden sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Unser schwaches Fleisch: Wir können aufhören, Fleisch zu essen, und auch, uns darüber zu streiten.“ These Nr. 56 in: Freiheit und Verantwortung. 95 Thesen heute, hg. v. Wilhelm Genazino, Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, S. 159–160
    Mara-Daria Cojocaru
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/978-3-476-05619-1)
  • „Was weiß ein Pragmatist schon von Idealen? Zweifel, Hoffnung und globale Solidarität“, in: Jahrbuch Praktische Philosophie in globaler Perspektive, (2017) 21-49
    Mara-Daria Cojocaru
 
 

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