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Die genetische Konstruktion der Roma und ihre interdisziplinären Verflechtungen

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 277645285
 
Dieses Projekt untersucht aktuelle populations- und medizingenetische Studien an Roma in ihrem historischen Kontext. Es nimmt deren konzeptionelle Vorannahmen, das praktische Vorgehen beim Sampling und deren interdisziplinäre Anleihen in den Blick. Diese genetischen Studien, so unsere These, stützen sich auf Praktiken, Klassifikationen und Narrationen über Roma, die hauptsächlich aus den Sozial- und Geisteswissenschaften übernommen werden. Dieser Wissenstransfer zwischen Geistes-, Sozial- und Biowissenschaften kann reifizierend und sogar stigmatisierend wirken, vor allem, wenn weitere Transfers in andere gesellschaftliche Bereiche erfolgen; ungeachtet der oft dezidiert antirassistischen Intentionen der Forscher.Seit 1921 sind ca. 150 populations- und medizingenetische Studien an Roma erschienen. Von den historisch berüchtigten, anthropometrisch-genealogischen Studien grenzten die genetischen Autoren ihre Arbeiten zunehmend durch ihren methodischen Ansatz ab: Serologie, Protein- und später DNA-Analyse. Nichtsdestotrotz zeigen diese Studien, so unsere These, daß es nicht nur personelle und institutionelle Überschneidungen beider Forschungsansätze gab, sondern daß die konzeptionelle Kontinuität über das 20. JH. bemerkenswert ist: Damals wie heute sind sich die Genetiker einig, daß Roma eine genetisch homogene Gruppe seien, daß sie aus Indien stammen und seit ihrer Ankunft in Europa reproduktiv isoliert geblieben seien. Dagegen wird die Vorstellung einer solchen Gruppenkohärenz der Roma in den Sozial- und Geisteswissenschaften kontrovers behandelt: Ein beachtlicher Teil der Forscher in diesen Fächern weist auf die gravierenden methodischen Mängel von sozialwissenschaftlichen Studien hin, die von der Gruppenkohärenz und der eindeutigen Erfaßbarkeit von Roma ausgehen. Die stichhaltigen kritischen Argumente dieser Forscher werden in der Genetik jedoch nicht rezipiert. Dieses Projekt setzt Methoden der Wissenschaftsgeschichte und der Science Studies ein, um Ko¬operationen und Anleihen zwischen Genetik und Sozial- bzw. Geisteswissenschaften zu untersuchen. Es widmet sich den historischen Verbindungen zwischen der sogenannten Zigeunerforschung und serologisch-genetischen Untersuchungen an Roma. Das Projekt will in wissenschaftlichen und politischen Handlungsfeldern mehr Sensibilität für die Problematik von Klassifikationen und stigmatisierenden Effekten wecken. Zudem lädt es GenetikerInnen sowie WissenschaftlerInnen mit Roma-Hintergrund ein, mit Sozial- und GeisteswissenschaftlerInnen über diese Thematik zu diskutieren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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