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Bestimmung der neuronalen Grundlagen der Eigenkörper- und Selbstwahrnehmung beim Menschen über bildgebende Verfahren und datengetriebene Modellierung

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2006 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27829847
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel dieses Forschungsprojektes war, die neuronalen Mechanismen bei der Wahrnehmung des eigenen Körpers und des „Selbst" genauer zu charakterisieren. Ein weiteres pragmatisches Ziel war, dass der Antragsteller für die Arbeit in seiner eigenen zukünftigen Arbeitsgruppe eine neue experimentelle Technik erlernt, um sie dann selbständig neben der mathematischen Modellierung von Gehirnfunktionen anzuwenden. Im Rahmen des 24-monatigen Forschungsstipendiums wurden Verhaltensexperimente, Experimente mit Messung der elektrischen Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG), eine Modellierungsstudie und konzeptuelle Arbeiten durchgeführt: Verhaltensexperimente: Ein Verhaltensexperiment unter Verwendung von Techniken der „Virtual Reality" hat gezeigt, dass Menschen beim zielgerichteten Gehen offenbar einen „Autopiloten" verwenden. Im Experiment wurde systematisch die visuelle Rückkopplung der Bewegungen des eigenen Körpers gestört. Die Versuchspersonen haben diese systematischen Störungen kompensiert, jedoch ohne sich dessen bewusst zu sein. Mit anderen Worten, in diesem Verhaltenexperiment haben sich die Versuchspersonen wie „Zombies" verhalten, die auf externe Reize reagieren und komplexe Bewegungen ausführen, ohne sich dessen bewusst zu sein. In einem weiteren Verhaltensexperiment wurden erstmalig die Kopfbewegungen statistisch charakterisiert, die Menschen im Alltag ausführen. Eine solche Charakterisierung erlaubt Rückschlüsse über die Verarbeitungsprinzipien im Gehirn, weil man davon ausgehen kann, dass das Gehirn durch jahrelanges „Training" auf die Verarbeitung der oft auftretenden und typischen Umweltreize hin optimiert ist. Kopfbewegungen wurden charakterisiert, weil damit indirekt die Reizung des Gleichgewichtssystems bestimmt wird, das für die Errechnung der Position und Orientierung des Menschen relativ zur Umwelt relevant ist. EEG-Experimente: In EEG-Experlmenten wurde untersucht, welche Regionen im Gehirn an der mentalen Transformation des eignen Körpers beteiligt sind. Die mentale Transformation des eigenen Körpers, beispielsweise vorstellte Bewegungen und Rotationen des eigenen Körpers im Raum, wurde als Paradigma gewählt, weil dabei vermutlich die gleichen neuronalen Prozesse beteiligt sind, die bei der Errechnung von tatsächlichen Bewegungen und Rotationen im Raum aktiv sind. Klinische Studien hatten zuvor auch gezeigt, dass bei sogenannten „spontanen außerkörperlichen Erfahrungen" solche Prozesse relevant sind. Die durchgeführten Experimente haben frühere Studien der aufnehmenden Arbeitsgruppe bestätigt und erweitert. Etwas 300 ms nach der Instruktion zur mentalen Transformation sind im parietalen Lappen und in der temporo-parietalen Übergangszone die neuronalen Korrelate dieser mentalen Transformationsprozesse durch EEG messbar. Durch Verwendung einer alternativen Analysemethode konnten auch Hinweise auf einen weiteren Transformationsprozess gefunden werden, der sich vom ersten Prozess unterscheidet. In einem weiteren EEG-Experiment wurden die neuronale Repräsentation von biologisch relevanten visuellen Bewegungsstimuli untersucht, wie sie von Artgenossen verursacht werden (beispielsweise laufende oder rennende Menschen). Die Analyse dieser Daten dauert jedoch noch an. Modellierungsstudie: In einer Modellierungsstudie wurde die Verrechnung von Reizen des Gleichgewichtssystems modelliert. Dabei wurde gezeigt, dass einige Aspekte von außerkörperlichen Erfahrungen als eine illusorische Eigenbewegung verstanden werden können. Wenn das Gehirn intern eine aufrechte Körperposition annimmt, dann kann die Reizung des Gleichgewichtssystems im liegenden Zustand als eine illusorische Eigenbewegung vom Gehirn fehlinterpretiert werden, so wie sie bei außerkörperlichen Erfahrungen oft berichtet wird. Diese Modellierungsstudie hat auch den Weg zu neuen (jedoch methodisch anspruchsvollen) Verhaltensexperimenten gezeigt, mit denen die Eigenkörperwahrnehmung und Aspekte von außerkörperlichen Erfahrungen bei gesunden Versuchspersonen ohne vorige außerkörperliche Erfahrungen untersucht werden können. Konzeptuelle Arbeiten: Im Rahmen einer veröffentlichten Buchbesprechung und einer veröffentlichten Antwort auf einen Forschungsartikel einer anderen Arbeitsgruppe wurden einige konzeptuelle Arbeiten durchgeführt. Diese Vorarbeiten haben beispielsweise zum Design des zweiten Verhaltensexperiments geführt (der „Autopilot" beim zielgerichteten Gehen). Der 24-monatige Forschungsaufenthalt war in mehrfacher Hinsicht erfolgreich. Nach Abschluss des Forschungsaufenthalts habe ich eine Juniorprofessur angetreten, wo ich nun die erlernte EEG-Technik in der eigenen Arbeitsgruppe einsetze. Meine eigene Arbeitsgruppe ist angesiedelt an einer Fakultät für Informatik und Elektrotechnik. Dort übertrage ich nun Konzepte und Paradigmen, die ich im Rahmen der neurowissenschaftlichen Untersuchung des „körperlichen Selbst" während des Forschungsaufenthalts kennengelernt habe, auf softwaretechnische Systeme. Beispielsweise entwickle ich inzwischen Softwarearchitekturen, die ebenfalls über einen „Autopiloten" (siehe oben) und über interne „Selbst-Modelle" verfügen. Auf diese Weise könnten Softwaresysteme robuster gegen Ausfälle gestaltet werden und sich durch „Reflexion" selbst optimieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Cognitive neuroscience of ownership and agency. Consciousness and Cognition. 16 (3): 661-6, 2007
    L. Schwabe, O. Blanke
  • The effect of elevation of the visuospatial perspective on own body mental rotation: an ERP study. Program No 737.3. 2007 Abstract Viewer/Itinerary Planner. Washington, DC: Society for Neuroscience, 2007
    L. Schwabe, B. Leggenhager, O. Blanke
  • A Bayesian model for the vestibular illusion during out-of-body experiences. Meeting of the Federation of European Neuroscience Societies, Geneva, 2008
    L. Schwabe and O. Blanke
  • Electrical Brain Imaging of Mental Own Body Transformations, Human Brain Mapping Meeting, Melbourne, 2008
    L. Schwabe, B. Lenggenhager, O. Blanke
  • Mental Perspective Transformations: ERP Analyses and Single Trial EEG Classification. In Computational and Systems Neuroscience, 2008
    L. Schwabe, N. Evans, B. Leggenhager, O. Blanke
  • Motor performance and motor awareness in a full body agency task using virtual reality, 9th International Multisensory Research Forum, Hamburg, Germany, 2008
    O. A. Kannape, T. Tadi, L. Schwabe, O. Blanke
  • Out-of-body experiences: false climbs in a supine position? In Proceedings of the International Joint Conference on Neural Networks IJCNN'2008, 2008
    L. Schwabe and O. Blanke
  • Phenomenology as a toolbox for neuroscientists? Abstracta, Vol 2, 71-85, 2008
    L. Schwabe, O. Blanke
 
 

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