Hartz IV-Generationen? Fatalismus und Gegenwartsorientierung in armen Familien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In dem Projekt ging es um die ‚kulturelle‘ Transmission von Armut zwischen familialen Generationen: Anhand von interpretativen Verfahren wurde untersucht, wie unterprivilegierte Familien zu intergenerationellen Schicksalsgemeinschaften werden können. Hierzu wurden biografisch-narrative Mehrgenerationeninterviews mit Familien geführt, in denen sowohl die Eltern als auch ihre erwachsenen Kinder seit mehreren Jahrzehnten wohlfahrtsstaatliche Transferleistungen beziehen und von Standards der Wohlstandsgesellschaft deutlich ‚abgehängt‘ sind. Ebenso wurden Gespräche mit Familien geführt, in denen zwar die Eltern in einer solchen Lage sind oder lange Zeit waren, deren Kinder aber aufgestiegen sind. Die Gespräche wurden mithilfe des Verfahrens der objektiven Hermeneutik rekonstruiert und die Ergebnisse fallvergleichend zu Idealtypen im Sinne verallgemeinernder Muster verdichtet. Diese geben Aufschluss über die Herstellung oder aber Durchbrechung von intergenerationellen Schicksalsgemeinschaften in unterprivilegierten Familien. So zeigt sich die ‚Weitergabe‘ von Lebensweisen und -haltungen als wechselseitiger biografischer Prozess, in dem gemeinsam an einer exklusiven, traumatisierenden und ohnmächtig machenden Geschichte sowie auch Zukunft gearbeitet und (z. B. gegenüber zweifelnden Geschwistern) mühevoll aufrechterhalten wird. Möglich ist auch, dass die Lebensweisen noch (immer) verhandelt werden, wenn Kinder (oder einzelne Geschwister) zwar neue Wege einschlagen, sich aber mit den Versionen der Eltern einverstanden oder zumindest versöhnlich zeigen und deshalb dem Herkunftsmilieu verhaftet bleiben, es also (noch) nicht konsequent verlassen. Demgegenüber gehen vollständige Brüche mit den elterlichen (und geschwisterlichen) Lebensweisen auch mit Brüchen in den Generationenbeziehungen einher – weshalb sie in der vorliegenden Untersuchung nur als berichtete Handlungen vorliegen und in den Interviews nicht mehr praktisch ausgefochten werden. Insgesamt zeigt sich, dass sich die Mechanismen zur intergenerationellen Reproduktion oder Überwindung von Armutslagen aus vielen (z. B. wohlfahrtskulturellen, generationsspezifischen, geschlechterdifferenzierenden, netzwerkbezogenen) Deutungs- und Handlungsweisen speisen. Die Vererbung von Armut ist damit ein soziologisches Querschnittsthema. Vor allem aber sind sie laufende kommunikative Praxis, sodass von in der Kindheit erlernten und seither resistenten Lebensweisen kaum gesprochen werden kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017): Armutsgenerationen: Das familiengeschichtliche Gespräch als methodologischer Zugang zur Transmission von Armut. In: Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research 18(3): Art. 3
Schiek, D.
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(2017): Von Generation zu Generation? Armutskarrieren aus familiengeschichtlicher Perspektive. In: Stephan Lessenich (Hrsg.): Geschlossene Gesellschaften. Verhandlungen des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Schiek, D. & Ullrich, C. G.
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(2018): Aufstiegs- und Bleibe(ver)handlungen in unterprivilegierten Familien. "Kulturelle" Streifzüge durch Armutsgenerationen. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung 15 (1): 87-97
Schiek, D. & Ullrich, C. G.
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Generationen der Armut : Zur familialen Transmission wohlfahrtsstaatlicher Abhängigkeit. Wiesbaden: Springer VS. 2019. Reihe: Sozialstrukturanalyse. VIII, 129 S.
Schiek, D.; Ullrich, C. G. & Blome, F.