Inferentialismus, Bayesianismus und die Theorie wissenschaftlicher Erklärungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Natürliche oder soziale Phänomene nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklären, ist eines der Hauptziele der Wissenschaft. Wir wollen nicht nur katalogisieren, was ist und was geschieht, sondern auch verstehen, warum es geschieht. Eine wissenschaftliche Erklärung leistet genau dies. Aber was ist eine wissenschaftliche Erklärung überhaupt? Und was macht eine gute wissenschaftliche Erklärung aus? Während sich in der zeitgenössischen Literatur viele detaillierte Studien zu verschiedenen Erklärungstypen in den Einzelwissenschaften finden, hat sich unser Projekt das Ziel gesetzt, den Rahmen für eine allgemeine Theorie der Erklärung zu formulieren. Konkret argumentieren wir, dass dies erreicht werden kann, wenn zwei bekannte philosophische Theorien – der Inferentialismus und der Bayesianismus – auf geschickte Weise kombiniert und gegenseitig nutzbar gemacht werden. Dabei liefert der Inferentialismus den allgemeinen Rahmen und erlaubt die Einbeziehung kontextueller Faktoren, die bei vielen Erklärungen wichtig sind. Der Bayesianismus erlaubt es darüber hinaus, zahlreiche sich stellende philosophische Fragen formal exakt und quantitativ zu untersuchen, so dass es z.B. möglich ist, Maße zu identifizieren, die unterschiedliche wissenschaftliche Theorien nach ihrer jeweiligen Erklärungskraft (eines gegebenen Phänomens) zu ordnen gestatten. Diese Methodologie hat sich als sehr erfolgreich herausgestellt und führte zu einer Reihe von interessanten Einsichten, die wir in hochkarätigen Zeitschriftenaufsätzen publiziert haben. So haben wir uns intensiv damit befasst, wie Aspekte der Vereinheitlichungstheorie und Aspekte kausaler Erklärungen in den inferentialistisch-bayesianischen Rahmen integriert werden können. Wir haben weiterhin untersucht, welche Art von wissenschaftlichem Verständnis sog. Spielzeugmodelle liefern, ob der Schluss auf die beste Erklärung mit dem Bayesianismus kompatibel ist, wann kein guter Grund für etwas ein guter Grund gegen etwas ist, und ob der amerikanische Philosoph Vann McGee tatsächlich gezeigt hat, dass das Schlussmuster modus ponens nicht allgemeingültig ist. Letzteres ist wichtig, da wir Erklärungen als Argumente rekonstruieren, und Schlussmuster wie modus ponens entsprechend oft in Erklärungen verwendet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2017). Bayesian Cognitive Science, Unification and Explanation. The British Journal for the Philosophy of Science 68(2): 451–484
Colombo, M. und S. Hartmann
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(2018), Causal Explanatory Power, The British Journal for the Philosophy of Science
Eva, B. und R. Stern
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(2018). Two Sides of Modus Ponens. The Journal of Philosophy 115 (11): 605–621
Stern, R. und S. Hartmann
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(2018). Understanding (with) Toy Models. The British Journal for the Philosophy of Science 69(4): 1069–1099
Reutlinger, A., D. Hangleiter und S. Hartmann
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(2018). When No Reason For Is a Reason Against. Analysis 78(3): 426–431
Eva, B. und S. Hartmann
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(2019). Robustness and Idealizations in Agent-Based Models of Scientific Interaction, The British Journal for the Philosophy of Science
Frey, D. und D. Šešelja