Neurophysiologische Korrelate der Regulation von Emotions- und Arbeitsgedächtnisprozessen durch spontane Gesichtsberührungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Vorstudien haben gezeigt, dass spontane Selbstberührungen des Gesichts (sFSTG), wie sie im Alltag bis zu 800 Mal am Tag ausgeführt werden, von neurophysiologisch relevanten Änderungen der hirnelektrischen Aktivität begleitet werden. Die EEG-Daten dieser Studie deuteten darauf hin, dass durch sFSTG sowohl Gedächtnisprozesse als auch Emotionsprozesse reguliert werden. In einer neuen Studie an N=71 Probanden sollte nun aufgeklärt werden, ob sich linkshändig oder rechtshändig ausgeführte sFSTG neurophysiologisch voneinander unterscheiden und ob die mechanische Verhinderung von sFSTG im Experiment (Fixierung der Finger) zu Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistungen und hierzu korrespondierenden EEG-Veränderungen führen. Zudem sollte überprüft werden, ob die beobachteten EEG-Veränderungen der ersten Pilotstudie reproduzierbar sind. Auf deskriptiver Ebene sollte durch den Einsatz spezieller Bewegungssensoren erstmals eine exakte zeitliche Analyse der Dauer von sFSTG möglich werden. Ergebnisse: a) Die Analyse der spektralen EEG-Power zwischen rechtshändiger und linkshändiger sFSTG ergab signifikante Unterschiede hinsichtlich der neuronalen Aktivität in den Frequenzbereichen Alpha, Beta und Gamma. Die Aktivitätsunterschiede bei beiden Formen der sFSTG deuten auf einen funktionalen Unterschied hin und stützen die Annahme, dass rechtshändig ausgeführte sFSTG bei der Regulierung von Speicherprozessen und linkshändige sFSTG bei der Regulierung emotionaler Prozesse beteiligt sind. b) Die Verhinderung von sFSTG während des Experiments durch Pseudofixierung der Zeigefinger, sollte eine Verminderung der Gedächtnisleistungen während der Abrufphase erzeugen. Diese Annahme konnte nicht bestätigt werden. Auch zeigten sich nur geringe Unterschiede der hirnelektrischen Aktivität nach dem Behaltensintervall bei fixierten vs. freien Händen. Es zeigte sich jedoch, dass bei Verhinderung von sFSTG (fixierte Hände) vermehrt Ganzkörperbewegungen innerhalb der Behaltensphase auftraten. Es wird vermutet, dass diese Form der ungerichteten motorischen Aktivität einen positiven Einfluss auf die Regulation der Speicher- und Abrufprozesse hatte. In zukünftigen Studien soll diese Annahme explizit überprüft werden. c) Die Änderungsdynamik der EEG-Aktivität vor und nach sFSTG entsprach den Ergebnissen der Vorstudie. d) Die zeitliche Analyse der sFSTG ergab, dass die mittlere Dauer der Kontaktphase eines sFSTG 1,98 Sekunden (SD=1,27) (min=0,29, max=7,71) betrug. Die mittlere Kontaktdauer war hierbei in der Soundphase während des Behaltensintervalls signifikant länger als in anderen Phasen des Experiments (M=1.97, SD=1.97 vs. M=1.18, SD=1.05). Die Anzahl der sFSTG die mit der rechten oder mit der linken Hand ausgeführt wurden war annähernd gleich. Die Kontaktdauer unterschied sich nicht signifikant zwischen linkshändigen und rechtshändigen sFSTG. Die vorliegende Studie unterstützt die Annahme einer regulativen Funktion von sFSTG auf der Ebene von Gedächtnis- und Emotionsprozessen. Es sind weitere Studien erforderlich, um psychologische und neurophysiologische Details dieser Regelprozesse erklären zu können.