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Emotionen im Hohelied. Eine literaturwissenschaftliche Analyse hebräischer Liebeslyrik unter Berücksichtigung geistlich-allegorischer Auslegungsversuche.

Antragstellerin Dr. Melanie Peetz
Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 280249176
 
In meiner Arbeit erörtere ich zwei Fragen: Wie drückt der Text des Hoheliedes Emotionen aus (1)? Und: Wie evoziert der Text Emotionen bei den Rezipierenden (2)? Es geht einerseits um die textimmanente Interpretation bestimmter syntaktischer und semantischer Phänomene als Phänomene literarischer Signale von Emotionalität; andererseits um begründete Vermutungen darüber, wie der Text im Rezeptionsvorgang Emotionen auslöst. Die Emotionalität des Hoheliedes ist bisher kaum erforscht. Ob das Hohelied allegorisch zu verstehen ist ¿ als Lied, das von der Liebe zwischen Gott und Israel handelt ¿ ist kontrovers. In meiner Arbeit stelle ich allegorische Auslegungsversuche vor und reflektiere, welche Konsequenzen die allegorische Leseweise für die Emotionalität des Hoheliedes hat (3). Ich komme zu folgendem Ergebnis: (1) Um Emotionen ausdrücken, bedient sich der Text literarischer Konventionen. Es handelt sich um ein Zusammenspiel mehrerer Textmerkmale. Werden die literarischen Konventionen aufgrund einer gemeinsamen Enzyklopädie von den Kommunikationspartnern geteilt, haben sie den Effekt, im Idealfall eine emotionale Kommunikation herzustellen. Diese Kommunikation misslingt, wenn die Konventionen der Textwelt sich in der Kultur der Lesenden oder Hörenden verändert haben. (2) Um Emotionen hervorzurufen, bedient sich der Text des Hoheliedes vor allem der Strategie der Offenheit. Bestimmte Vorstellungen werden im Hohelied nur kurz angetippt, aber nicht weiter ausgeführt. Durch die Offenheit des Textes können sich die Rezipierenden mit ihren Sehnsüchten und Erfahrungen einbringen. Lassen sie sich darauf ein, dann ist die Textabsicht, in ihnen Emotionen zu wecken, erreicht. (3) Diese Offenheit des Textes eröffnet zugleich unterschiedliche Sinnebenen. Der Text lässt offen, wer die Protagonisten sind. Das Hohelied als Ganzes lässt sich problemlos als erotisch-profane Literatur verstehen. Vor dem Hintergrund der ganzen Bibel können viele emotional aufgeladene Bilder und Termini aber auch auf Gott und Israel übertragen werden. An vielen Stellen sind also Bilder menschlicher Liebe ¿ durch die Kombination mit anderen Bibelstellen ¿ übertragbar auf die göttliche. Die Emotionalität des Textes bleibt davon unberührt. Allerdings nimmt die allegorische Auslegung dem Lied die menschlich-erotische Komponente. Die sinnlichen Bilder lenken zu einer anderen Wirklichkeit, auf die geistliche Liebe zwischen Gott und Israel. Dann ergeben sich Konsequenzen für das christlich-jüdische Gottesbild: Wenn der Liebhaber im Hohelied JHWH ist, dann ist er ein Gott, der fühlt, begehrt und begehrt werden will. Er lässt sich begeistern und erregen. Gott umwirbt, besingt und liebt sein Volk. Vor dem Hintergrund der ganzen Bibel funktionieren viele Bilder und Termini zweifach: Emotionale Bilder menschlicher Liebe lassen sich nicht selten auf die göttliche Liebe übertragen. Emotionen stellen im Hohelied insofern ein Bindeglied zwischen Menschen- und Gottesliebe dar.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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