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Das Ratnameghasutra, eine zentrale Lehrrede des Mahayana-Buddhismus: Die Wiedergewinnung der Sanskrit-Fassung (Fortsetzung)

Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 281899732
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bei einem Besuch im China Tibetology Research Center in Peking hatte die spätere Projektmitarbeiterin Dr. Hoyu Tseng Einblick in die Kopie einer in Tibet erhaltenen Sanskrit-Handschrift des Ratnameghasūtra erhalten und die Abfolge der Blätter dieses leider unvollständigen Manuskriptes ordnen können. Völlig überraschend erteilten die zuständigen Gremien daraufhin eine Genehmigung zur Bearbeitung der Handschrift. Dies war eine einmalige Gelegenheit, denn erstens sind die chinesischen Behörden schon aus politischen Gründen normalerweise äußerst restriktiv, was die Bearbeitung solcher Texte aus Tibet anbelangt, und zweitens stellt das Ratnameghasūtra eine der zentralen „kanonischen“ Lehrschriften des indischen Mahāyāna-Buddhismus dar, deren originaler Sanskrit-Text allerdings als verloren galt. Um den Sanskrit-Text eines solchen Werkes textkritisch verlässlich edieren zu können, ist es unabdingbar, auch dessen klassische Übersetzungen heranzuziehen; es ist einmal ins Tibetische und sogar viermal ins Chinesische übersetzt worden. Hinzu kommen die zahlreichen Zitate in Werken der indisch-buddhistischen Kommentarliteratur, die in der Edition und der Beurteilung der Überlieferung berücksichtigt werden müssen; im Verlauf der Bearbeitung sind uns knapp 150 Zitate in 32 Werken bekannt geworden. Diese erstaunlich hohe Zahl ist ein deutliches Indiz für die zentrale Stellung des Sūtra im indischen Buddhismus in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends. Angesichts des Inhalts ist diese Stellung nicht verwunderlich: das Sūtra besteht im Wesentlichen aus einem äußerst systematisch durchkomponierten Dialog zwischen dem Buddha und einer fiktiven Idealperson, wobei letztere 101 Fragen zum Wesen eines Bodhisattva – der zentralen Heilsfigur im Mahāyāna – an den Buddha stellt, die dieser jeweils mit zehn Punkten beantwortet. Seine Antworten sind die Quelle der Zitate, denn sie lassen sich als quasi-kanonische Absicherung für die Erklärung bestimmter doktrinärer Sachverhalte verwenden. Im Verlauf der Bearbeitung stellte sich überraschenderweise heraus, dass umfangreiche Passagen aus dem Sūtra in andere Mahāyānasūtras übernommen worden sind, dass hier also in völlig unvorhergesehenem Maße intertextuelle Bezüge vorliegen, die ebenfalls bei der Herstellung des Sanskrit-Textes zu berücksichtigen waren. Es hat sich also allein schon aufgrund der zahlreichen und im Verlauf der Bearbeitung weiter zunehmenden Quellen um eine gewaltige Aufgabe gehandelt, die jetzt aber kurz vor dem Abschluss steht. Der Sanskrit-Text ist kritisch ediert, wobei die Edition von drei Apparaten begleitet ist: Der erste Apparat verzeichnet die intertextuellen Bezüge (Parallelen, Zitate); der zweite verzeichnet und begründet Korrekturen im Sanskrit-Wortlaut und dokumentiert Abweichungen in den chinesischen und tibetischen Übersetzungen, die für die kritische Konstitution des Sanskrit- Textes von Bedeutung sind; der dritte präsentiert die diplomatische Umschrift des Manuskriptes und verzeichnet die Stellenangaben in den chinesischen und tibetischen Übersetzungen. Während man mit dem ständigen Anwachsen der Zahl von Zitaten rechnen musste, waren die umfangreichen intertextuellen Bezüge in keiner Weise zu erwarten gewesen. Sie liefern zwar wertvolle neue Erkenntnisse zu Textentstehung und Wechselbeziehungen im Genre der Mahāyānasūtras, haben wenig überraschend aber auch für nicht unerhebliche Verzögerungen bei der Edition gesorgt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • “The dhutaguṇa passage in the Avataṃsaka translation by Prajñā ( 般 若 ) and the Ratnameghasūtra.” Saddharmāmṛtam. Festschrift für Jens-Uwe Hartmann zum 65. Geburtstag. Eds. Oliver von Criegern, Gudrun Melzer, and Johannes Schneider. Wiener Studien zur Tibetologie und Buddhismuskunde, 93. Wien: Arbeitskreis für tibetische und buddhistische Studien, 511–526
    Tseng, Vinita (Bhikṣuṇī Vinītā, 自運)
  • “Bathing the body with face downwards.” Unearthing Himalayan Treasures: Festschrift for Franz-Karl Ehrhard on the Occasion of his 65th Birthday. Eds. Volker Caumanns, Nikolai Solmsdorf, Marta Sernesi. Marburg, Indica et Tibetica, 203‒217
    Hartmann, Jens-Uwe and Bhikṣuṇī Vinītā
 
 

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