Die Ausbildung einer neuen räumlichen Identität in ehemaligen sudetendeutschen Gebieten Tschechiens am Beispiel der Kreise Tachov (Tachau) und Sokolov (Falkenau)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojektes konnten die geplanten Untersuchungen im Wesentlichen durchgeführt werden. Die wesentliche Erkenntnis aus dem Projekt ist, dass die Folgen des Bevölkerungsumbruchs ab 1945 sich in den Untersuchungsgebieten hinsichtlich der räumlichen Identität der Bevölkerung bis heute auswirken - wenngleich jeweils in unterschiedlicher Art in Abhängigkeit von der Besiedlungsgeschichte, den langfristigen strukturellen Auswirkungen des Umbruchs und aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den Untersuchungsgebieten. Prinzipiell lässt sich sagen, dass mit der nunmehr dritten bzw. vierten Generation von Einwohnern eine neue Siedlungskontinuität entstanden und die Grundlage für eine neue spezifische räumliche Identität gegeben ist. Die heutigen Einwohner blicken auf eine eigene Lebensgeschichte im von Ihnen bewohnten Raum insbesondere auch in der sozialistischen Epoche und in der Zeit des Umbruchs nach 1990 zurück und können gemeinsame Erfahrungen in ein neu entstehendes kollektives Gedächtnis einbringen. Die Bedingungen dafür sind freilich erschwert nicht nur aufgrund der historischen Besonderheit des absoluten Neuanfangs. Die Gemeinschaftsbildung, so scheint es, wird auch behindert durch eine offenbar traditionelle Fokussierung auf den engeren Familien- und Bekanntenkreis, die beispielsweise die Identifizierung mit dem Wohnort und der Bezugsgruppe der Ortsansässigen ausspart. Bei den Befragten, die eine stärker ausgeprägte räumliche Identität erkennen ließen, bezog diese sich zudem eher auf die lokale als auf die regionale Ebene. Dem entspricht, dass als besonders wirksamer Faktor für eine raumbezogene Bindung v.a. persönliche Kontakte zu Personen identifiziert wurden, die durch ihre Kenntnisse der engeren Wohnumgebung oder ihr Engagement, aber auch durch ihre Autorität, als Vermittler in dieser Hinsicht fungieren. Offizielle Maßnahmen auf welcher Ebene auch immer scheinen dagegen weniger fruchtbar zu sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Lebenszufriedenheit am Wohnort, die sich z.B. in befriedigenden Sozialbeziehungen, einem auskömmlichen Lebensunterhalt, aber auch in einer intakten Natur äußert. Hier liegen Potentiale wie etwa die Entwicklung des Tourismus in unmittelbarer Nähe zur nunmehr offenen Grenze nach Deutschland. Eine gelungene Aufwertung der Grenzregion in diesem Zusammenhang kann nicht nur zu wirtschaftlichem Aufschwung, sondern auch zu einem neuen Selbstbewusstsein der betroffenen Regionen und damit zu einer stärkeren räumlichen Identität ihrer Bewohner führen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Zu Hause im Grenzgebiet. Ortsverbundenheit im westböhmischen Tachov (Tachau)". In: Baumbach, Sibylle (Hg.): Regions of Culture - Regions of Identity. Trier 2010. S. 83-101 (WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier). Außerdem publiziert in: Heller, Wilfried (Hg.): Identitäten und Imaginationen der Bevölkerung in Grenzräumen. Berlin 2011. S. 71-91 (LIT Verlag)
Mala, Stepanka
