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Grundlagenforschung in den Adamawa-Sprachen Nordost Nigerias

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282128451
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Forschungsvorhabens war, den Kenntnisstand unterdokumentierter sogenannter 'Adamawa'-Sprachen NO Nigerias entscheidend zu verbessern. Im Mittelpunkt standen die Sprachen, Dialektcluster und Varianten der Tula-Waja-Gruppe, der Ɓəna-Mboi-(aka Yungur)-Gruppe, der Bikwin-Jen-Gruppe, und das Longuda- (aka Nungurama)-Cluster, die bereits in den 1990er Jahren Ziel mehrerer Forschungsaufenthalte gewesen waren. Studien zur Verbreitung und zu Merkmalen dieser Sprachen und ihrer Varianten sind bereits publiziert. Von den ausgesprochen umfangreichen Sprachaufnahmen und Textsammlungen der damaligen Feldforschung war allerdings ein erheblicher Teil unbearbeitet bzw. noch nicht angemessen ausgewertet verblieben. Diese Materialien bildeten die Datenbasis dieses Projekts, da auf erneute punktuell vertiefende Forschung in situ wegen der angespannten Sicherheitslage in der Region weitestgehend verzichtet werden musste. Die Daten zu einzelnen Sprachen konnten jedoch mit Beiträgen einheimischer Mitarbeiter und grauer Literatur ergänzt werden. Angesichts der Datenfülle und der Zahl der Sprachen bot es sich an, mit Forschungen externer Institute und Kollegen zu kooperieren. Sprachdaten und akustische Aufnahmen zum Baa (aka Kwa) und zu Bəna-Mboi-Sprachen wurden folglich Kollegen des LLACAN (Langage, Langues et Cultures d’Afrique Noir) Instituts des CNRS in Frankreich zur Verfügung gestellt. Aufnahmen und Texte aus einem Nungurama-Lekt werden in einem Dissertationsvorhaben in Mainz bearbeitet. Kooperationen mit lokalen 'language committees', die sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten vor allem im Gombe State in Nigeria konstituiert hatten, kamen bedauerlicherweise nicht in dem Maße wie erhofft zustande; mit Ausnahme des Komitees der Waja, mit dem wiederum eine sehr intensive Zusammenarbeit stattfand. Bei der Digitalisierung und Aufbereitung der vorhandenen Sprachaufnahmen war die Mitarbeit durch ein Mitglied des Projekts 'Nominale Klassifikation in Afrika zwischen Genus und Deklination' der Humboldt Universität Berlin ausgesprochen hilfreich. Deren Interesse lag darin begründet, dass sie so aus den noch unveröffentlichten Materialien die für ihr Archiv relevanten Datensätze strukturiert destillieren konnten. Die analytischen Auswertungen und sukzessiven Veröffentlichungen der lexikalischen und grammatischen Daten sind auch nach Ende des Projekts noch nicht abgeschlossen. Modus und Plattform der Edition der digitalisierten Audiodateien, die den Großteil der Daten belegen, sind noch in Arbeit. Offen ist zudem noch, in welcher Form die zahlreichen digitalisierten Texte, Lieder, etc. die besonders im Waja und Tula und weiteren Sprachen aufgenommen wurden, zugänglich gemacht werden können. Neben Dokumentationen zum Kulturwortgut der Region als Beitrag zur Thematik des SFB "Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im Naturraum Westafrikanische Savanne" waren seinerzeit in unserem Teilprojekt die Validität der Thesen der lexiko-statistischen Studie Bennett's (1983) primäre Fragestellungen gewesen: (i) die oben-genannten Sprachen würden eine "genetic unit" bilden, das "Trans-Benue", das (ii) wiederum als 'link' eines Gur-Adamawa(-Ubangi) Kontinuums anzusehen sei. Diese 'unit' konnte jedoch weder lexikalisch noch morphologisch bestätigt werden. Innovationen, Merkmale durch die ein 'Trans-Benue' definiert werden könnte und gegenüber den anderen Zweigen des Kontinuums abzugrenzen wäre, blieben unbekannt. Im Bereich der nominalen Morphologie ließen/lassen die Klassensysteme des Tula-Waja offenbar mehr Gemeinsamkeiten mit denen des Central Gur erkennen als mit denen seiner Nachbarn, Longuda und Bəna-Mboi-Sprachen. Die zweite Annahme Bennett's, 'Trans-Benue' bilde einen Link zwischen Adamawa und Gur konnte auf dieser Datenbasis somit nur für die Tula-Waja Sprachen, aber nicht für seine Nachbarn belegt werden. Desungeachtet blieb die Ansicht, es gäbe Bennett's 'Trans-Benue' Einheit, mittlerweile in "Waja-Jen" umgetauft, in der Literatur manifestiert und wird in einigen Publikationen immer noch vertreten. Wie rezente Studien zur nominalen Klassifikation in zuvor unterdokumentierten 'Adamawa'-Sprachen südlich des Oberen Benue, am Faro und in den Alantika Mountains, deutlich gezeigt haben, ist die These, Tula-Waja zeichne sich innerhalb des 'Adamawa' durch seine besondere Nähe zu den Gur-Sprachen aus, nicht mehr aufrechtzuhalten. Die frappierenden Gemeinsamkeiten des Lɔŋto und der Gəmme-Vere-Sprachen mit Oti-Volta-Sprachen des Central Gur in Morphologie, Semantik und Struktur der Klassensysteme, korreliert mit weiteren typologischen Merkmalen, deuten nachdrücklich auf die gemeinsame Genese dieser Sprachen hin. Augenscheinlich haben sich in den Klassensprachen der räumlich weit voneinander entfernten Regionen am Oberen Benue und im Volta Basin im Bereich ihrer jeweils spezifischen nominalen Klassifikation gemeinsame kognate Morpheme eines Proto-Systems bewahrt, das als Klammer die Klassensprachen des 'Adamawa' und des 'Gur' umfasst und verbindet. Dieser so zu definierenden genealogischen Einheit, die wir in Anlehnung an ihre Verbreitung 'Benue-Volta' nennen wollen, um Präkonzeptionen mit klassifikatorisch diffuseren Termini zu vermeiden, gehören offenbar auf der Grundlage ihrer nominalen Morphologie auch Tula-Waja, Ɓəna-Mboi und das Nʋngʋrama-Cluster an. Wie in einer aktuellen Studie gezeigt, sind die signifikanten morphologischen Unterschiede dieser Sprachen als unterschiedlich reduzierte /modifizierte 'sub-sets' eines 'Common Benue-Volta' Klassensystems anzusehen. Damit kann schlussendlich eine kleinräumige Einheit dieser Sprachen als 'Trans-Benue' verneint werden, andererseits aber eine Zugehörigkeit der einzelnen Gruppen zu verschiedenen Zweigen eines größeren Ganzen, dem 'Benue-Volta', als Ergebnis präsentiert werden. Das in den Sprachen der Region flächendeckend dokumentierte Kulturwortgut ist Basis einer ethno-linguistischen Studie, die - in Zusammenarbeit mit Jörg Adelberger - die Kultur- und Sprachgeschichte der 'Montagnards' der Muri Mountains und der nördlich angrenzenden Bergländer Sprachgrenzen überschreitend thematisiert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2018. The Bua Group languages (Chad, Adamawa 13): A comparative perspective. In: Raija Kramer & Roland Kießling (eds). Current approaches to Adamawa and Gur languages. Köln: Rüdiger Köppe; 53-126
    Boyeldieu, Pascal, Raimund Kastenholz, Ulrich Kleinewillinghöfer & Florian Lionnet
  • 2018. The northern fringe of the Jos Plateau, a prehistorical contact zone of Benue-Plateau and Adamawa-Gur languages - The evidence of the cultural vocabulary. In: Raija Kramer & Roland Kießling (eds). Current approaches to Adamawa and Gur languages. Köln: Rüdiger Köppe; 193-225
    Ulrich Kleinewillinghöfer
  • (2020): Adamawa. In: Rainer Vossen, Gerrit J. Dimmendaal und Maren Rüsch (Hg.): The Oxford Handbook of African Languages: Oxford University Press, S. 219–230
    Ulrich Kleinewillinghöfer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199609895.013.34)
  • Language Structures - Case Studies: Waja. In: Rainer Vossen & Gerrit J. Dimmendaal (eds). Oxford Handbook of African Languages. Oxford University Press
    Ulrich Kleinewillinghöfer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199609895.013.35)
 
 

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