Schuld ErTragen.Die Kirche und ihre Schuld
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ausgehend von der These, dass das Phänomen der Schuld und die Frage nach dem Verhältnis von individueller und kollektiver Schuld theologisch bislang zu wenig erforscht wurde, hat sich das Wissenschaftliche Netzwerk „Schuld ErTragen. Die Kirche und ihre Schuld“ in sechs Workshops und in ökumenischer und internationaler Zusammensetzung dem komplexen Zusammenhang von Schuld/Sünde, Scham, Reue und individueller, institutioneller sowie politischer Verantwortlichkeit im kirchlichen Kontext gewidmet. Die Auseinandersetzung mit den einzelnen Themenbereichen erfolgte dabei nach dem Dreischritt „Contritio“ (Reue) – „Confessio“ (Bekenntnis) – „Satisfactio“ (Wiedergutmachung). Zu jedem Schritt wurden je zwei Workshop veranstaltet und ein Sammelband publiziert, der die intensive Auseinandersetzung innerhalb des Wissenschaftlichen Netzwerkes abbildet, die im Zuge der Workshops erzielten Forschungsergebnisse sichert und diese zugleich in den größeren Kontext der internationalen und interdisziplinären Forschung stellt. Folgende zentrale Ergebnisse der dreijährigen Forschungsphase können festgehalten werden: Es wurde deutlich, dass die drei Elemente des katholischen Bußsakraments – Reue, Bekenntnis und Wiedergutmachung – nach wie vor als die zentralen Ereignisse im Schuld- und Versöhnungsprozess anzusehen sind. Anders als bislang vertreten, geht das Wissenschaftliche Netzwerk nicht davon aus, dass diese Essentia in einer bestimmten Reihenfolge erfolgen müssen. Vielmehr zeigen die Forschungsergebnisse und ihre konkrete Rückkopplung an empirische Forschung (etwa im Zuge der Post-Shoah-Schuldbearbeitung oder im post-genozidalen Versöhnungsprozess Ruandas), dass die einzelnen Elemente sich je gegenseitig bedingen können – wobei kaum ein Abschluss erreicht werden kann. Für die Schuldbearbeitungs- und Versöhnungspraxis ist dies insofern einschlägig, als dass eine verweigerte Schuldeinsicht (Scham, Reue) oder ein fehlendes Bekenntnis Schuldbearbeitungs- und Versöhnungsprozesse nicht per se blockieren müssen. Dies bedeutet auch, dass von einer ohnehin fragwürdigen, „Anordnung“ dieser Elemente von außen Abstand genommen werden sollte. Vielmehr kann auch ein – in diesem Fall durchaus erzwungenes – Projekt zur Wiedergutmachung (Reparationszahlungen, Sozialdienst etc.) Reue auslösen und den Prozess der Reflexion eigener Schuld initiieren, woraus sich dann ggf. ein Bekenntnis entwickeln kann. Das Netzwerk ist allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass umfängliche Wiedergutmachung innerweltlich nicht zu erreichen sein wird. Auch die bleibende Ambivalenz von Schuldbekenntnissen muss immer wieder erinnert werden – dies trifft vor allem auf Schuldbekenntnisse zu, die die Schuld von Kollektiven bekennen und ihrerseits wiederum Kollektive ansprechen (z.B. kirchliche Schuldbekenntnisse). Um ein vorschnelles Abgleiten der Schuld- in die Versöhnungsdebatte zu verhindern, hat das Netzwerk sich ausschließlich auf Erfahrungen von Schuld – vornehmlich im kirchlichen Kontext – konzentriert. Die Ergebnisse des Wissenschaftlichen Netzwerkes können als Grundlage für weitere Forschungen zu Versöhnung, Verzeihung, Vergebung verstanden werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Sünde. Zur theologischen Relevanz eines strapazierten Deutungsbegriff, in: Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte 11 (2016)
Enxing, Julia/Jütte, Stephan
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Contritio. Annährungsversuche an Schuld, Scham und Reue, Beiheifte zur Ökumenischen Rundschau 114, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017
Enxing, Julia/Peetz, Kathrina (Hg.)
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Confessio. Schuld bekennen in Kirche und Öffentlichkeit, Beihefte zur Ökumenischen Rundschau 118, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018
Enxing, Julia/Koslowski, Jutta (Hg.)
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Satisfactio. Über (Un-)Möglichkeiten von Wiedergutmachung, Beihefte zur Ökumenischen Rundschau 122, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2019
Enxing, Julia/Gautier, Dominik (Hg.)