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Die Neo-Sannyas-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren: Praxis, Ästhetik und Semantik

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282461499
 
Die Neo-Sannyas-Bewegung Bhagwans war ab Mitte der 1970er Jahre die bedeutendste und innovativste der sogenannten Jugendreligionen in Westdeutschland. Zeitweise hatte sie bis zu 40.000 Anhängern und Kommunen mit bis zu 380 Mitgliedern. Ihre Praxis, Ästhetik und Semantik verkörperten wie keine andere Bewegung die Neuverhandlung von Religion in der alten Bundesrepublik. Sie war ein Hybridphänomen zwischen institutionalisierter Religion und individualistischer Selbst- und Glücksfindung im Hier und Jetzt. Sie übte fundamentale Kritik an jeder institutionalisierter Religion und war zugleich eine neo-hinduistische Guru-Bewegung. Sie pflegte die meditative Versenkung und war modernes Dienstleistungsunternehmen. Vor allem aber verband sie religiöse Sinnfindung und Lebensorientierung mit Therapien zur Entwicklung von Eigenständigkeit und Wohlbefinden. Damit schloss sie an einen seit den 60er Jahre auch in Deutschland immer populäreren therapeutischen Diskurs an und verschmolz ihn innovativ mit dem religiösen. Das Projekt untersucht erstens die Praxis der Bewegung: zunächst die Angebote an Meditationen, Therapien und weiteren Dienstleistungen und außergewöhnliche Aktionen, mit denen man sich an die Öffentlichkeit wandte. Anschließend wird die Gestaltung des Alltags, der Feste und der Übergangsriten bei Geburt, Aufnahme in die Bewegung, Hochzeit und Tod untersucht. Inwiefern setzte man sich von der bürgerlichen und christlich geprägten Zeit- und Lebensgestaltung ab, und wo es gab es Ähnlichkeiten und Traditionsüberhänge? Wie wurden die Geschlechterrollen definiert und wie sahen die Kommunikationsformen aus? Zweitens untersucht das Projekt die Ästhetik der Auszeichnung von Körper, Raum und Zeit: Welche Zugehörigkeitssymbole wurden benutzt? Welche Ästhetik wurde adaptiert, um Verbundenheit auszudrücken, welche wurde abgelehnt? Wie wurde sie etwa nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten oder Graden der Zugehörigkeit differenziert? Welchen Umfang und welche Funktion hatte der ästhetische Orientalismus? Drittens wird die Sprache der Bewegung in den 70er und 80er Jahren untersucht. Es wird nach ihren Leitbegriffen gefragt, nach der semantischen Verarbeitung traditionell zum religiösen Diskurs gehörender Begriffe und nach semantischen Vermeidungsstrategien. Diese dreiteilige Untersuchung der Bhagwan-Bewegung wird ihren Ort und ihre Bedeutung in der Kultur der späten Bundesrepublik bestimmen. Interessante Vergleiche eröffnen sich mit der älteren Hippie- und Kommunebewegung, auf der sie aufbaute, mit dem linksalternativen Milieu, mit dem es zahlreiche Überschneidungen gab, und mit späteren Formen der alternativen Kultur und der Selbstfindungs-, Esoterik- , Yoga- und Wellness-Bewegung, die sie entscheidend mitformte. Das Projekt stützt sich zum größten Teil auf private, unveröffentlichte Schrift-, Bild- und Filmquellen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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