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Das Absetzen von Medikamenten bei älteren Patienten mit Polypharmazie in der hausärztlichen Versorgung: Entwicklung einer komplexen Intervention
Antragstellerinnen / Antragsteller
Professor Dr. Norbert J. Donner-Banzhoff; Professorin Dr. Ulrike Junius-Walker
Fachliche Zuordnung
Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Gerontobiologie und Geriatrie
Pharmakologie
Gerontobiologie und Geriatrie
Pharmakologie
Förderung
Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282998937
Polypharmazie, die gleichzeitige Einnahme von mindestens 5 Wirkstoffen, betrifft heutzutage fast jeden zweiten alten Menschen. Aufgrund des altersabhängigen Anstiegs chronischer Erkrankungen nimmt der Arzneimittelverbrauch weiter zu. Wesentliche Gründe hierfür sind das traditionelle, auf Einzelanliegen konzentrierte ärztliche Sprechstundenformat und auf Einzelbehandlungen ausgerichtete evidenzbasierte Leitlinien. Beides hat bei Multimorbidität eine Addition medikamentöser Behandlungen zur Folge. Zusätzliche Verschreibungen durch Spezialisten, während Krankenhausaufenthalten und die medikamentöse Behandlung von Arzneimittelnebenwirkungen ziehen eine Verschreibungskaskade nach sich. Dabei ist Polypharmazie riskant. Sie führt zu Interaktionen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen bis hin zu Hospitalisierungen und einer erhöhten Sterblichkeitsrate; sie verringert die Therapietreue und begünstigt Verschreibungsfehler. Trotz dieser Risiken existieren keine einheitlichen praxis- und patientennahen Absetzverfahren. Hiervon sind in erster Linie Hausärzte betroffen, da sie ältere Patienten kontinuierlich betreuen und ihnen die zentrale Aufgabe des Medikamenten-Managements obliegt. Im Gegensatz zum Ansetzen von Medikamenten mangelt es beim Absetzen weitgehend an Evidenz und Handlungsmustern, wodurch Folgen eines solchen Handelns kaum abschätzbar sind. Bisher entwickelte Absetzkonzepte sind über wissenschaftliche Studien hinaus noch nicht in der hausärztlichen Praxis etabliert. Ihre gesundheitsbezogene Wirksamkeit ist nicht erwiesen, da die Studien uneinheitliche Methoden, eine eher niedrige Studienqualität und heterogene Outcomes aufweisen. Ziel des Projektes ist es, Voraussetzungen für ein sicheres, akzeptables und effektives Absetzen von Medikamenten bei älteren multimorbiden Patienten zu schaffen. Das Studiendesign ist als Teil eines wissenschaftlichen Gesamtprojektes nach der Methode des Complex intervention design (Campbell, 2007; Craig 2008) angelegt. In der Entwicklungsphase werden Absetzinterventionen identifiziert und eine Modellierung von Prozess- und Outcome-Parametern vorgenommen. Dazu gilt es, mithilfe von ärztlichen Fokusgruppen und Patienteninterviews aus der alltäglichen Praxis zu explorieren, welche förderlichen und hinderlichen Faktoren auf die Absetzentscheidung einwirken. Diese Erfahrungswerte werden analytisch extrahiert und thematisch kategorisiert. Unter Berücksichtigung existierender Absetzkonzepte soll ein interdisziplinäres Expertengremium in Delphi-Runden patientenorientierte Entscheidungshilfen zum schrittweisen, systematischen Absetzen für das hausärztliche Setting und geeignete Outcome-Messmethoden entwickeln. Auf dieser Basis werden in der Praxistestphase die Absetzhilfen getestet. Es sollen Erkenntnisse, über Machbarkeit, Nutzen, Prozessoptimierung und Zielgruppeneignung gewonnen werden. Auf dieser Basis findet eine Anpassung der Absetzverfahren für die künftige Pilotierung einer Interventionsstudie statt.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortliche
Professor Dr. Nils Schneider; Dr. Ingrid Schubert; Professor Dr. Dirk O. Stichtenoth