Unsymmetrische Diboran(4)-Derivate (RO)2B-B(NR´R´´)2 als Vorstufen für Diaminoborylkomplexe: Von der modularen Synthese zu maßgeschneiderten Liganden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im ersten Projektteil wurden die Synthese von unsymmetrischen Diboran(4)-Derivaten pinB–B(1,2-(NR)2C6H4) (pin = (OCMe2)2) mit variablem R durch NH-Deprotonierung und nachfolgender Derivatisierung von pinB–Bdab (dab = 1,2-(NH)2C6H4) untersucht. Hierbei zeigte sich, dass dieser ausgehend von den Vorarbeiten vielversprechende Ansatz nicht zielführend war. Die NH-Deprotonierung führt in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen, insbesondere der eingesetzten Base, zu komplexen, aggregierten und insgesamt wenig reaktiven Spezies. Die Strukturchemie dieser Spezies ist von der Bildung von B(sp2)2B(sp3)2N2-Ringen geprägt und wurde detailliert untersucht. Auch eine Variation des Rückgrates in (RO)2B–B(NR‘R‘‘)2, d.h. die Variation von R und R‘‘, ließ sich nicht wie geplant verwirklichen. Ausgehend von diesen Ergebnissen wurde als neuer, die genannten Probleme umgehender Zugang zu unsymmetrischen Diboran(4)-Derivaten die kupfervermittelte B–B-Kupplung ausgehend von einem Bor-Eletrohphil (R2B–X/H) und einem Bor-Nukleophil entwickelt. Als Bor-Nukleophile kommen dabei NHC-Kupfer-Borylkomplexe zum Einsatz, die gut aus den entsprechenden Kupferalkoxidokomplexen und kommerziell verfügbaren symmetrischen Diboranen(4) (B2pin2, B2cat2) zugänglich sind. Diese Methode konnte zu einer breit anwendbaren und präparativ gut handhabbaren Synthese von unsymmetrischen Diboran(4)-Derivaten entwickelt werden. Auf dem Weg dorthin wurden die bisher nicht oder nur wenig beschriebenen Kupferborylkomplexe mit Bneop- und Bcat-Liganden eingehend untersucht und so wichtige Ergebnisse hinsichtlich der Koordinationseigenschaften (terminale vs. µ-verbrückte Borylkomplexe) mit besonderer Relevanz für kupferkatalysierte Borylierungsreaktionen im Allgemeinen gewonnen. Die nun zur Verfügung stehende Bibliothek an unsymmetrischen Diboranen(4) wurde nun als Vorstufen für Borylkomplexe eingesetzt. In einer ersten Untersuchung wurden fünf Pt(II)-Komplexe [(Ph3P)2Pt(Boryl)(Boryl‘)] dargestellt und umfassend spektroskopisch und strukturell charakterisiert. Es zeigt sich, dass die Borylliganden in diesen Komplexen nicht unabhängig beschrieben werden können, d.h. einen deutlichen cis-Einfluss aufweisen und die Komplexserie somit nicht geeignet ist, die Donoreigenschaften der einzelnen Borylliganden individuell zu quantifizieren. Die Umsetzung der dargestellten Diborane (RO)2B–B(NR‘R‘‘)2 mit Phosphin- und NHC-Kupfer-tertbutoxidokomplexen führt selektiv zu den entsprechenden Diaminoborylkomplexen. Dies ermöglichte erstmals die Darstellung bzw. Untersuchung von Kupferborylkomplexen mit nur sterisch wenig anspruchsvollen Hilfsliganden. Es zeigte sich, dass Kupferborylkomplexe mit nur mäßigem sterischem Anspruch beider Liganden wenig stabile, hochreaktive Spezies sind, die als dimere bis-µ-Borylkomplexe vorliegen und damit das bisherige Bild von Kupferborylkomplexen als lineare mononukleare Komplexe entscheidend erweitern. Die weitere Untersuchung dieser Komplex im Hinblick auf ihrer katalytischen Eigenschaften ist geplant. Bedingt durch die zeitaufwendige Entwicklung eines neuen Zugangs zu unsymmetrischen Diboranen(4) konnten als Pincerligandenvortufen geeignete unsymmetrische Diborane(4) erst zu einem späten Projketzeitpunkt erhalten werden. Trotzdem konnten erste PBP-Pincerkomplexe mit Pt(II), Rh(I) und Cu(I) dargestellt werden und so ein neuartiger Zugang über µ-Bindungsmethatese zu dieser Verbindungklasse eröffnet werden. Zusammenfassend konnte das Forschungsvorhaben erfolgreich durchgeführt werden. Zwar zeigt sich der in den Vorarbeiten entwickelte Zugang zu unsymmetrischen Diboran(4)-Derivaten wenig universell, es konnte aber ein offensichtlich breiter anwendbarer fundamental neuer Syntheseweg durch die kupfervermittelte B–B- Bindungsknüpfung erfolgreich entwickelt werden. Die so zugänglichen unsymmetrischen Diboran(4)-Derivate konnten erfolgreich zur Darstellung vorher nicht zugänglicher Borylkomplex eingesetzt und deren Eigenschaften untersucht werden. Abschließend konnten auch erste Borylpincerkomplexe ausgehend von einem unsymmetrischen Diboran dargestellt werden. Es zeigte sich, dass der Ansatz, die koordinationschemischen Eigenschaften über die Variation der Reste R‘ und R‘‘ in einem Diaminoborylliganden B(NR‘R‘‘)2 zu steuern gut funktioniert und Potenzial zur weiteren Verwendung besteht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Elusive Phosphine Copper(I) Boryl Complexes: Synthesis, Structures and Reactivity“, Organometallics 2017, 36, 4687-4690
C. Borner, L. Anders, K. Brandhorst und C. Kleeberg
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„Unsymmetrical Diborane(4) Derivatives: A Comparative Study“, Eur. J. Inorg. Chem. 2017, 4485-4492
C. Borner, M. T. Wiecha und C. Kleeberg
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„Syntheses, Structures, and Reactivity of NHC Copper(I) Boryl Complexes: A Systematic Study“, Organometallics 2018, 37, 4136-4146
C. Kleeberg und C. Borner
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„Unsymmetrical diborane(4) derivatives by copper mediated B-B coupling“, W. Oschmann, C. Borner und C. Kleeberg, Dalton Trans. 2018, 47, 5318-5327
W. Oschmann, C. Borner und C. Kleeberg
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„Exploring unsymmetrical diboranes(4) as boryl ligand precursors: platinum(II) bis-boryl complexes“, RSC Advances 2019, 9, 3900-3911
W. Drescher, C. Borner, D. J. Tindall und C. Kleeberg
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„Terminal versus Bridging Boryl Coordination in N-Heterocyclic Carbene Copper(I) Boryl Complexes: Syntheses, Structures, and Dynamic Behavior“, Inorg. Chem. 2019, 58, 8215-8229
W. Drescher und C. Kleeberg
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„[(Me3P)3Co(Bcat)3]: Equilibrium Oxidative Addition of a B–B Bond and Interconversion between the fac-Tris-Boryl and the mer-Tris-Boryl Complex“, Organometallics 2020, 39, 538-543
W. Drescher, D. Schmitt-Monreal, C. R. Jacob und C. Kleeberg
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„Stability and decomposition of copper(I) boryl complexes: [(IDipp)Cu–Bneop], [(IDipp*)Cu–Bneop] and copper clusters“, New J. Chem. 2020
W. Drescher, C. Borner und C. Kleeberg