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Multisensorische Wahrnehmung: Raumstabilität und zeitliche Kontinuität durch perzeptuelle Plastizität

Antragsteller Professor Dr. Christian Bellebaum, seit 4/2018
Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 283870281
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die räumliche Wahrnehmung muss vom Gehirn aktiv konstruiert werden. Diese Notwendigkeit tritt besonders während der sprunghaften Blickbewegungen (Sakkaden) auf, die wir ca 3 mal pro Sekunde ausführen. Um eine stabile Wahrnehmung des Raumes trotz der schnellen Bewegungen der Augen zu gewährleisten, wird in sensomotorischen Arealen des Gehirns eine Umkartierung der Objektkoordinaten durchgeführt. In der derzeitigen Forschung zu diesem Thema wird gefragt, ob diese Umkartierung neuronal auf einer Ebene abstrakter Koordinaten stattfindet oder auf einer frühen visuellen Verarbeitungsstufe. Wir konnten zeigen, dass diese Umkartierung auf einer frühen Stufe abläuft. In einer Patientenstudie konnten wir weiterhin zeigen, dass unterschiedliche neuronale Pfade existieren, die das zur Umkartierung nötige Efferenzkopie-Signal transportieren. Während ein Pfad durch den mediodorsalen Nucleus die zur visuellen Umkartierung relevante Efferenzkopie sendet, liefert der Pfad durch den ventrolateralen Nucleus das Signal zur motorischen Umkartierung. Die Frage nach der trans-sakkadischen Umkartierung muss auch für multisensorische Stimulationen gestellt werden. Wenn wir ein Objekt festhalten und dabei Blicksprünge ausführen, muss die taktile Information kongruent mit der visuellen umkartiert werden. 
 
Dass die zeitliche Wahrnehmung konstruiert ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass wir kein Organ besitzen, um Zeit zu messen. Daher muss man fragen, welche Signale das Gehirn auf welche Weise nutzt, um die Dauer und die Reihenfolge externer Ereignisse akkurat abzubilden. Anhand von Adaptationsmethoden konnten wir demonstrieren, dass Bewegungs-Information für die Einschätzung zeitlicher Intervalle eine wesentliche Rolle spielt. Um die Unsicherheit in der Intervalleinschätzung zu reduzieren, komprimiert das Gehirn - so fanden wir heraus - die Intervalldauer. Zeitkompression ist ein oft beobachtetes Phänomen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der Grund für seine Existenz die Reduktion von Varianz in der internen Einschätzung ist. Ebenso wie für die Raumwahrnehmung stellt sich für die zeitliche Wahrnehmung die Frage, wie multisensorisch gegeben Intervalle bestimmt werden. Dazu konnten wir beobachten, dass das Gehirn visuelle und taktile Stimuli zur Zeiteinschätzung integriert, sofern diese zueinander kongruent erscheinen. Dabei stellt sich - wie schon bei der Raumwahrnehmung - die Frage, ob Zeit in einem globalen, supramodalen neuronalen Areal gemessen wird oder ob die verschiedenen Modalitäten eigene neuronale Uhren besitzen. Die Ergebnisse unserer Experimente stellten klar, dass letzteres der Fall ist. Wir induzierten eine Regression zur Mitte in der Einschätzung verschiedener zeitlicher Intervalle unimodal und fanden, dass diese nicht zwischen den Modalitäten transferierte. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass die Konstruktion räumlicher und zeitlicher Wahrnehmung die Ebene der frühen sensorischen Verarbeitung involviert und nicht ein von dieser getrennter Prozess ist. Wir haben dazu beigetragen, die Signale, Mechanismen und neuronalen Pfade, die diese Konstruktion herbeiführen, darzustellen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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